International Braille Chess Association Die Geschichte der Organisation Zusammengestellt und mit überleitenden Texten versehen von Hans-Gerd Schäfer ÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ K A P I T E L II Die Grundvoraussetzungen ÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍ Die Definition von sportlicher Leistung für den Menschen ist also - soweit sie wie gewohnt mit Bewegung verbunden ist - etwas schwierig. In dieser Beziehung sind wir eben keine Spezialisten. Dafür haben wir aber die Fähigkeit erhalten, uns die notwendigen oder auch erwünschten Prothesen zu schaffen. Worin wir nämlich allen anderen Lebensformen weit überlegen sind, das sind eben diese typisch menschlichen Eigenschaften. Sie werden auch genutzt. Die Freude am Lernen ist bei Kindern immer wieder faszinierend; von ihnen wird Wissen regelrecht aufgesaugt wie Wasser von einem Schwamm. Es gibt auch eine Unzahl von Vergleichsmöglichkeiten auf diesem Gebiet. Nur mit ®Sport¯ bringt man das im allgemeinen nicht in Verbindung. Warum eigentlich nicht? Wissen Speichern, Kombinieren und Schlüsse Ziehen ist doch etwas zu tiefst Menschliches, etwa so wie wir spezielle Arten der Bewegung ganz bestimmten Tierarten zuordnen. Voraussetzung für eine gezielte Bewegung ist immer die Erkennung des Ziels. Wenn das nicht oder nicht mehr gegeben ist, kann Sport, der letztlich in dem überkommenen Sinne immer mit gezielter Bewegung verbunden ist, nur noch sehr beschränkt ausgeübt werden. Wer somit durch Krieg, Unfall oder Krankheit seiner Sehkraft beraubt wurde oder in dieser Hinsicht schon vorgeburtliche Schädigungen erlitten hat, ist gezwungen, andere Fähigkeiten zu suchen, andere Sinne zu stärken und zu entfalten, die seinen speziellen Gegebenheiten entsprechen; denn die geschichtlich geprägten Instinkte sind selbstverständlich auch in solchen Menschen virulent. Während nun Schallwellen - in jedem Falle - wie auch optische Reize - sofern sie in unserem Gesichtsfeld liegen - in einem gewissen Sinne passiv aufgenommen werden, ist der Tastsinn eine Wahrnehmung, die unbedingt Aktivität verlangt. Optische Schwächen können mit einer Brille, akustische Unzulänglichkeiten mit Hörgeräten gemildert oder ausgeglichen werden; es gibt allerdings keinerlei Hilfsmittel für den Tastsinn, einmal abgesehen von bestimmten möglichkeiten, das Tastfeld mittels eines Stockes zu erweitern. Aber hierdurch sind nur ganz grob Anhaltspunkte zu erhalten. Die individuelle Entwicklung des Tastsinnes ist im wesentlichen davon abhängig, wie intensiv er geschult wurde und trainiert wird. Es wird zwar niemals erreichbar sein, daß man einem Blindgeborenen begreifbar macht, was Farben sind und warum sie eine so große Bedeutung im alltäglichen Leben haben; aber das sind Defizite, die lediglich derjenige beurteilen kann, der über das Sehvermögen selber zuvor gelernt hat, worin der Verlust besteht. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Vorstellungsvermögen. Der Taststock, der die Bahnsteigkante entlang-fährt, läßt den Körper weitgehend ungeschützt. Der Blinde stellt sich vor, daß der Bahnsteig - zumindest in der Nähe des einlaufenden Zuges - keine größeren hindernisse enthalten darf. Die Ordnung der Dinge ist - im häuslichen Bereich wie auch in öffentlich zugänglichen Räumen - notwendiger und wesentlicher Bestandteil der Lebensführung eines Blinden und hochgradig Sehgeschädigten. Ein anderes Beispiel: Das begreifen eines mittelalterlichen gothischen Domes kann nur durch das Abtasten - im wahrsten Sinne des Wortes ®Begreifen¯ - der einzelnen gothischen oder romanischen Elemente, die eventuell im Schnitzwerk der Kanzel oder des Chorgestühls, im Zierat der Eingangstür, in Tür- oder Bilderrahmen oder in anderen Schmuckelementen, die sich selbstverständlich im Bereich der ®tastenden Hand¯ befinden müssen, vorhanden sind und fast immer mit Hilfe einer Begleitperson gefunden werden können, wie natürlich durch Abschreiten der Räumlichkeiten von einem Blinden oder hochgradig Sehgeschädigten geschehen. Der Rest muß dem individuellen Vorstellungsvermögen überlassen bleiben. Natürlich wird die Fähigkeit, sich etwas vorzustellen - innerhalb wie außerhalb begrenzter Räumlichkeiten - auch von reflektierten Schallwellen beeinflußt - manchmal sogar bestimmt, deren Überlagerung durch andere zivilisationsbedingte Geräusche fatale Folgen für die Orientierung haben kann, wobei das Hörvermögen - vor allem innerhalb vertrauter Hörmuster - eine wichtige Rolle spielt. Es bleibt jedoch festzuhalten, daß das Erfassen vieler Dinge aus der alltäglichen Umgebung somit zwar nicht auf den Status einer Denksportaufgabe reduziert ist, aber doch ganz offensichtlich vieles damit gemeinsam hat. Beim Denksport ist allgemein Bewegung zwar nicht überflüssig, sie kann aber zu dem reduziert werden, was Sport sein sollte: Ein Mittel, den Körper als unvermeidlich notwendige Bedingung für die Funktion des Gehirns in möglichst gutem Zustand zu erhalten. Bewegung, die die fähigkeiten des Körpers ausreizt, ist Voraussetzung für geistige Arbeit und damit auch für den spielerischen Wettbewerb auf diesem Gebiet. Weil die körperliche Selbstdarstellung Blinden und hochgradig Sehgeschädigten nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße zur Verfügung steht, sind für Blinde und hochgradig Sehgeschädigte Spiele - Karten- und Brettspiele, vor allem natürlich Schach wegen der nahezu unbegrenzten Kombinationsmöglichkeiten - eine ganz wichtige Art der Selbstverwirklichung. Dieses Wort wirkt zugegebenermaßen etwas abgegriffen; es gibt aber wohl kaum eine bessere Bezeichnung für das, was hier gesagt werden soll. Wenn Blinde und hochgradig Sehgeschädigte das Schachspielen erst mit zeitlich erheblicher Verzögerung zu ihrem Spiel machen konnten, so hat dies ganz sicher in der bis weit in das zwanzigste Jahrhundert reichenden traditionellen Stellung Blinder wie auch anderer Behinderter am Rande der Gesellschaft seine Ursache. Erst mit der - wenn auch anfangs noch sehr beschränkten - beruflichen Einbezihung und integrierung in die Gesellschaft, wesentlich bedingt durch die Erfindung der Punktschrift durch Louis Braille (1809-1852), der schon als Kleinkind im Alter von drei Jahren durch einen Unfall das Augenlicht verlor, und die Entwicklung technischer Hilfsmittel für Blinde, konnte nunmehr auch der Blinde am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und somit auch auf vielen Gebieten des Sports aktiv werden. Schach war für Blinde genau das richtige! Diese Sportart, in der er sich auch in gewisser Weise mit dem sehenden Sportsfreund messen kann, bot sich geradezu an. So war es denn auch nur eine Frage der Zeit, daß auch Blinde begannen, sich in Schachgruppen oder Klubs zu organisieren, wobei anfangs selbstverständlich vielfach die Blindenschulen Pate standen. Beim Schachspielen werden Abenteuer auf eine Ebene verlagert, die für Blinde und hochgradig Sehgeschädigte erfahrbar - begreifbar ist und nachempfunden werden kann. Tasten und informative Reize aufnehmen kann man zwar auch mit Füßen und allen anderen Körperteilen. Vor allem wichtig für die Aufnahme von Informationen sind aber in erster Linie die Hände und - noch enger gefaßt - die Finger. Ja es ist sogar festzustellen, das die meisten Informationen über den Zeigefinger einer Hand aufgenommen werden, über die Fingerkuppe und da über nur wenige Quadratmillimeter Hautoberfläche, die dafür genau an dieser Stelle auch sehr dicht mit Tastsensoren ausgestattet ist - etwa 35 Tastkörperchen pro Quadratmillimeter. Das blinde Kind lernt diese physische Besonderheit nutzen; es lernt in der Schule ausschließlich mit Hilfe dieser Fähigkeit, dem Tastsinn, lesen. Die Reichweite der Arme begrenzt das Erfassen räumlicher Zusammenhänge und das direkte Abschätzen von Größen und Größenverhältnissen. Hier werden die Sensibilitäten antrainiert, die dem Blinden und Sehgeschädigten ein Leben lang erhalten bleiben sollen. Aus diesem Grunde ist auch der Verlust des Augenlichtes für einen Erwachsenen ungleich schwerer zu kompensieren, als für ein Kind; der Ausgleich für den Ausfall des Sehvermögens ist bei vorgeburtlicher Schädigung am weitaus effektivsten: Die betroffene Person kennt ihre Umwelt schließlich gar nicht anders als dunkel. Kompensation ist allerdings auch eine Frage der geistigen Fähigkeiten, deren entwicklung wiederum ganz wesentlich von individuellen Interessen und Neigungen abhängt. Wie weit der Mensch in der Lage ist, ausfälle zu kompensieren, erleuchtet schlagartig der Fall eines leidenschaftlichen deutschen Schachspielers, der als junger Mann im zweiten Weltkrieg nicht nur erblindet war, sondern der durch eine Explosion auch beide Hände verloren hatte. Wollte er Schachspielen, notierte eine Hilfs-person alle Zugangaben mit. Er war über Jahrzehnte einer der besten blinden Schachspieler Deutschlands, obwohl Schachbrett, Figuren und vor allem die Beziehungen zwischen ihnen ausschließlich in seiner Vorstellungskraft existieren konnten. Eine wesentliche Voraussetzung für Lernen im allgemeinen und für die Entwicklung kompensatorischer Fähigkeiten ist in jedem Einzelfall also ein gerichtetes Interesse, das bei Kindern immer vorausgesetzt oder geweckt werden kann, das bei Erwachsenen aber eher die Ausnahme darstellt.. Jedoch hängt das bei Spielen und ganz speziell beim Schachspielen auch davon ab, daß ein interessanter Gegenspieler verfügbar ist. Und das Problem ist für Blinde und Sehgeschädigte nicht ganz so einfach zu lösen. Die örtlichen Schachklubs sind zwar dankenswerterweise immer bereit, Blinde und Sehgeschädigte aufzunehmen; es war aber für diesen Kreis von Menschen schwierig, eine Spieltechnik zu entwickeln, die einen echten Vergleich mit Sehenden erlaubt. Deshalb versuchten Blinde und Sehgeschädigte von Anfang an, Kontakt untereinander aufzunehmen und zu halten. Es ging immer darum, die Hilfsmittel, deren sich jemand bedienen muß, um schachspielen zu können, der über die Grundvoraussetzung des Betrachtenkönnens im physischen Sinne nicht verfügt, zu ersinnen und zu vervollkommnen. Nach anfänglichen internen Turnieren traten dann die Klubs der Blinden und hochgradig Sehgeschädigten auch an die Öffentlichkeit, um zu erproben, was zuvor ersonnen worden war; Es wurden Wettkämpfe mit Klubs sehender Schachfreunde bestritten. Doch den entscheidenden Aufschwung nahm das Schach unter den Blinden vieler Länder erst nach dem zweiten Weltkrieg, vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren. So nimmt es nicht Wunder, daß mit dem Näherrücken der Völker, bedingt durch die rasche, technische Entwicklung - auch unter den Blinden aus den verschiedenen Ländern - engere Kontakte geknüpft und die ersten Fernschach-Länderkämpfe vereinbart wurden. Die skizzierten Probleme wurden jetzt international diskutiert. 1. Wer sein Schachbrett nicht anschauen kann, dem muß es gestattet sein, seine Figuren zu berühren. 2. Wer seine Figuren berührt, der muß auch sicher sein können, daß diese Figuren weder umfallen noch daß ihre Position durch die tastende Hand verändert wird. 3. Es ist auch die ®tastende Hand¯, die zwei weitere Probleme verursacht: Zum einen verdeckt sie dem Gegner die Sicht auf die Figuren, um die - auch wenn er nicht am Zuge ist - ständig seine Kombinationen kreisen und die zu sehen er gewohnt ist; Zum anderen verrät die tastende Hand auch unter Umständen dem Gegenspieler Pläne und Erwägungen des sehgeschädigten Spielers, was diesen gewiß benachteiligt. 4. Die benutzten Schachuhren waren für Blinde und hochgradig Sehgeschädigte ebenfalls völlig unbrauchbar; auch hier mußte eine andere Lösung gefunden werden, um die Aktivitäten Blinder und hochgradig Sehgeschädigter von der Mitwirkung sehender Personen weitgehend unabhängig zu machen. 5. Für die Notation der Spiele wie auch für die erforderliche Schachliteratur hatte der Franzose Louis Braille (1809-1852) bereits in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts mit der Kreation der Punktschrift die Grundvoraussetzung geschaffen. Es galt jetzt nur noch, eine spezielle Schachschrift unter Verwendung dieses Mediums zu entwickeln. Wie hieraus leicht ersichtlich ist,gab es für Blinde und hochgradig Sehgeschädigte von Anfang an nicht nur ein begründetes Interesse an möglichst engen Kontakten, sondern ein intensiver Erfahrungs- und Ideenaus-tausch war immer unerläßlich. Mit der Zahl der blinden Schachspieler stieg auch der Bedarf nach Schachliteratur in Blindenschrift, um das schachliche Wissen und Können ohne fremde Hilfe vervollkommnen zu können. Die Pädagogen für die Erziehung blinder Kinder, O.Brandt und W. Philipp, schufen im Jahre 1925 auf der Grundlage der algebraischen Zugangabe die Marburger Schachschrift, die bis auf geringfügige Änderungen noch heute die wichtigste Grundlage für das Übertragen von Schachbüchern, das Aufschreiben von Partien usw. ist; hierdurch wurde auch das Verfassen und Versenden von Fernschachbriefen erst möglich. Viele Schachbücher wurden seitdem in Marburg und Leipzig abgedruckt und stehen den blinden Schachspielern zur Verfügung. Ein weiteres Problem war zu lösen: Das Diagramm - das Schachbrett mit der übersichtlichen Position der einzelnen Figuren war in dieser Form nicht in die 6-Punkte-Schablone tastbarer Zeichen zu übertragen. Hier mußte etwas total neues gesucht werden. Die Darstellung eines Diagramms in Braille- Schrift ist zwar bei weitem nicht so einprägsam übersichtlich wie das in Schwarzschrift möglich ist, es ist jedoch eine Lösung, die für Blinde und Sehgeschädigte anwendbar ist. Die Reihen werden - vereinbarungsgemäß - vom Feld a8 ausgehend und jeweils reihenweise zusammengefaßt bis zur ersten Reihe in dementsprechend acht Zeichenfolgen dargestellt, in denen freie Felder wie auch freie Reihen sumarisch durch Zahlensymgole und besetzte Felder durch kennzeichnende Buchstaben, die für die Figuren stehen, angegeben werden; die schwarzen Figurensymbole erhalten zur Unterscheidung - ebenso vereinbarungsgemäß - einen zusätzlichen Punkt. Die "algebraische Methode" der Zugangabe definiert jedes Feld des Schachbretts durch einen Buchstaben (von a bis h - linker Hand des Führers der weißen Steine angefangen) für die Reihen, die von den weißen zu den schwarzen Steinen verlaufen und eine Zahl (von 1 bis 8 - bei der weißen Position beginnend) für die Reihen, die quer dazu liegen. Damit kann man Start- und Zielfeld einer Figur auf dem Schachbrett eindeutig angeben. Sie ist den weitaus meisten Schachspielern geläufig. Daneben gibt es auch noch die ®beschreibende Methode¯, eine Aktion auf dem Schachbrett anzugeben. Vielen unserer englischen Schachfreunde ist zum Beispiel die in Deutschland allgemein gebräuchliche und vertraute algebraische Angabe eines Zuges ebenso fremd wie uns die beschreibende. Um ein Feld mit der "beschreibenden Methode" zu definieren, sind folgende drei Punkte zu beachten: 1. Jeder Spieler - der Führer der weißen wie auch der Führer der schwarzen Steine - zählt die acht Reihen des Spielfeldes von seiner Grundlinie aus. 2. Jeder Spieler bezieht sich bei der Angabe eines Feldes auf seine Grundstellung; die vertikalen Linien werden mit den Namen der Figuren benannt, die am Anfang stehen. 3. Die Figuren - Läufer, Springer und Turm - werden weiter danach bestimmt, auf welcher Seite sie stehen (Königs- oder Damenflügel). Unter Berücksichtigung dieser drei Punkte stellt sich die Notation einer Schachpartie folgendermaßen dar: M. Arenas -- F. Infantes Teneriffa 1992 Spanische Mannschaftsmeisterschaft für Blinde und Sehgeschädigte Französische Verteidigung 1. Bauer Koenig vier - - Bauer Koenig drei 2. Bauer Dame vier - - Bauer Dame vier 3. Bauer Koenig fuenf - - Bauer Koenigsspringer drei 4. Springer Koenigslaeufer drei - - Springer Dame zwei 5. Laeufer Koenigsspringer fuenf - - Springer Koenig zwei 6. Dame Dame zwei - - Laeufer Koenigsspringer zwei 7. Dame Koenigslaeufer vier - - kleine Rochade 8. Laeufer Koenigsturm sechs - - Springer Koenigslaeufer vier 9. Laeufer Koenigsspringer fuenf - - Dame Koenig eins 10. Laeufer Dame drei - - Bauer Dameturm drei 11. Bauer Koenigsspringer vier - - Springer Koenig zwei 12. Läufer Koenigsturm sechs - - Bauer Damespringer drei 13. Laeufer schlaegt Laeufer Koenigsspringer sieben - - Koenig schlaegt Koenigsspringer zwei 14. Bauer Koenigsturm vier - - Springer Koenigsspringer eins 15. Bauer Koenigsturm fuenf - - Koenig Koenigsturm eins 16. Springer Koenigsspringer fuenf - - - Bauer Damelaeufer vier 17. Springer schlaegt Bauer Koenigsturm sieben - - Koenig schlaegt Koenigsturm zwei 18. Bauer schlaegt Koenigsspringer sechs - - Koenig Koenigsspringer zwei 19. Turm Koenigsturm sieben - - MATT! Für jemanden, der an die algebraische Methode gewöhnt ist, wirkt das Ganze doch sehr umständlich und exotisch, wenn es so geschrieben ist. Es ist aber dabei anzumerken, daß die beschreibende Methode für Spieler am Brett recht anschaulich ist. Versuchen Sie es doch einmal! Schreiben sollte man so etwas vielleicht gar nicht oder nur in der von unseren blinden Schachfreunden aus Großbritannien entwickelten verkürzten Form. Aber ob die Spielerin oder der Spieler nun ihren/seinen Zug auf diese oder jene Weise ansagt oder schreibt, alle verbindet die Freude am königlichen Spiel. Die ®International Braille Chess Association¯ beschäftigt sich seit ihrer Gründung vornehmlich damit, die Möglichkeiten blinder und Sehgeschädigter Spieler optimal zu gestalten. Schon im Jahre 1961, beim II. I.B.C.A.-Kongreß in Meschede (BRD), wo gleichzeitig auch die I. Blindenschacholympiade statt fand, war das Spielmaterial ein wichtiger Diskussionspunkt; Die Organisation wurde zu dieser Zeit in deutschsprachigen Ländern auch noch als ®Internationaler Blindenschachbund¯ geführt. Seit dieser Zeit zieht sich das Thema wie ein roter Faden durch alle Kongresse. Hier ein Auszug aus dem entsprechenden Protokoll: "Die Schachfreunde Uekermann und Cohn schlagen vor, möglichst einheitliche Schachbretter und -uhren zu schaffen, da dies - besonders bei Turnieren - von großem Vorteil ist. Alle Anwesenden sind sich darüber im klaren, daß dies ein erstrebenswertes Ziel ist, jedoch vorerst noch auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen dürfte." Durch Kontakte und Erfahrungsaustausch zwischen den unmittelbar Betroffenen entstanden mehr oder weniger feste "Schicksals- und Hobbygemeinschaften" in sehr vielen Ländern der Welt. Im Jahre 1951 war es dann Reginald Walter Bonham, Mathematiklehrer am Blinden-College in Worcester (England), der das erste internationale Fernschachturnier organisierte. Reginald Walter Bonham wurde 1906 in East Anglia geboren. Er stammt aus einer kinderreichen Familie. Von seinen Geschwistern waren noch weitere zwei blind. Er besuchte das Worcester-College for the Blind, wo er auch im Jahre 1922 das Schachspielen erlernte. Bereits in den Jahren 1924 und 1925 gewann er die Kollege-Meisterschaft. In seiner Freizeit befaßte er sich - neben Schach - auch mit Rudern und Schwimmen; als er sich zum Mathematikstudium in Oxford aufhielt, wurde er sogar für den berühmten Universitätsachter nominiert; nur sein rasch schwindendes Sehvermögen verhinderte letztlich seine Teilnahme. Er bestand das Mathematik-Examen mit "sehr gut" und wurde anschließend in seiner Ehemaligen Schule, dem Worcester-College, als lehrer für Mathematik übernommen, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1966 blieb. Er war darüber hinaus aber auch immer an allgemeinen Blindenfragen interessiert. Vor allem hat er sich um den Ausbau der Blindenschrift für die Anwendung in der Mathematik Verdienste erworben. Er verstarb - hoch geehrt und weithin betrauert - im Frühjahr 1984. Im Blindenschach wurde er 1956 Sieger der ersten englischen Blindenschachmeisterschaft. Auch in den ersten drei Fernschachturnieren, durch deren Zustandekommen und in deren Verlauf die I.B.C.A. gegründet wurde, siegte er unangefochten Durch die initiative von Reginald Walter Bonham und Victor Nelson wurden über die weltweite Esperantovereinigung Blinder und Sehgeschädigter die ersten Kontakte in den Jahren 1949 und 1950 geknüpft. Aus Anlaß seines 75-jährigen Geburtstages schrieb Heinz Reschwamm im INFORMATIONSBLATT 1 1981: "Auf seine Initiative wurde im Jahre 1951 das erste "internationale Fernschachturnier durchgeführt. Sechsmal konnte er den Titel eines Blindenfernschach-Weltmeisters erringen." Bonham war aber nicht nur in Kreisen blinder Schachspieler bekannt; auch gegen sehende Schachfreunde war er recht erfolgreich: 1927 und 1928 war er jeweils zweiter in der Schachmeisterschaft von Oxford, 1929 gewann er diesen Wettbewerb. Das Reserveturnier von Hastings gewann er 1931. Das Birmingham-Turnier gewann er dreimal in Folge; 20-mal gewann er die Meisterschaft der Grafschaft Worcestershire; er ist dreifacher Meister der neun mittelenglischen Grafschaften; zweimal gewann er den "Pokal der Birmingham-Post".. Er nahm sechsmal an den englischen Meisterschaften teil (bestes Ergebnis: neunter Platz). Vielleicht noch erfolgreicher war er im Fernschach; Teilnehmer in der Endrunde der ersten Fernschachweltmeisterschaft; zweiter Platz hinter Lundquist im Halbfinale der dritten Fernschachweltmeisterschaft. In den Jahren 1943, 1947 und 1951 wurde er britischer Fernschachmeister. 1952 war er Teilnehmer der Fernschacholympiade (erstes Brett der englischen Mannschaft). Er lehnte Simultanvorstellungen als Blindspieler in den verschiedensten Klubs nur aus zwingenden Gründen ab und gewann immer mindestens die Mehrzahl seiner Partien gegen zehn und mehr Spieler. Mit Beginn dieses ersten internationalen Fernschachturniers, an dem sich über zwanzig Schachfreunde aus zehnLändern beteiligten, gewann das Schach auch unter den Blinden weltweite Bedeutung. Dieses und das folgende zweite internationale Fernschachturnier bildeten dann auch die Grundlage des - vorerst noch inoffiziellen - zusammenschlusses von Schachfreunden aus den 16 Ländern: Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Deutsche Demokratische Republik, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Irland, Italien, Jugoslawien, Österreich, Schweden, Schweiz, Spanien und U.S.A. Ab 1955 wurde ein provisorisches Präsidium, bestehend aus den Schachfreunden Reginald Walter Bonham (Großbritannien) Präsident, Anton Grusch (Österreich) Vizepräsident, Victor Nelson (Großbritannien) Sekretär und Schatzmeister, Marcel Saurel (Frankreich), seinem Stellvertreter, Heinz Reschwamm (Bundesrepublik Deutschland) Fernschachturnierleiter und Hermann Uekermann (Bundesrepublik Deutschland), Stellvertreter des Fernschachturnierleiters, gebildet. Victor Nelson wurde im Jahre 1905 in Manchester, England, geboren. Durch die Folgen einer Kinderkrankheit erblindet und gehbehindert, besuchte er die Weltberühmte englische Blindenschule ®Worcester College for the Blind¯ und studierte dann englische Sprache und Literatur auf der Universität Manchester. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war es auch für so ausnehmend Begabte schwer, eine ihren Qualifikationen entsprechende Anstellung zu finden; trotzdem wurde Nelson Korrektor für Punktschrift-Literatur an der ®National Library for the Blind¯, wo er sich durch seine ständig wachsenden Fremdsprachenkenntnisse bald unentbehrlich machte. Er war mitbegründer des allerersten Blindenschachbundes der Welt, der britischen ®Braille Chess Association¯ im Jahre 1932-33 und ihr Sekretär von 1948 bis 1962. Er war, gemeinsam mit I.B.C.A.- Präsident Bonham, für die Vorarbeit verantwortlich, die zum Druck der britischen Blindenschachzeitung ®Braille Chess Magazine¯ im Jahre 1934 führte. Er förderte, gemeinsam mit vielen anderen europäischen Schachfreunden, den Gedanken der I.B.C.A. und wurde ihr erster Sekretär von 1951 - hier handelte es sich noch nur um die Organisation eines internationalen Fernschachturniers für Blinde - bis 1964 und war außerdem, vom Beginn 1958 bis zu seinem frühzeitigen Tode 1965, ihr Schatzmeister. Seine unermüdliche Tatkraft sowie die in der britischen BCA gesammelten Erfahrungen trugen sehr zum Aufbau und zur Entwicklung der I.B.C.A. bei. Vor allem aber gewann er sich durch seine Sprachenkenntnisse, denen er unermüdlich neue hinzufügte, Freunde in vielen Ländern, und seine brieflichen Kontakte erstreckten sich über Kontinente und Ozeane. Er nahm bei vielen internationalen Esperantokongressen sowie in der ®British Association of Braille Esperantists¯ eine führende Stellung ein. Die vordringlichen Aufgaben dieses Präsidiums waren die Ausarbeitung einer provisorischen Satzung sowie einer Fernschachturnierordnung. Durch einen Umstand wurden diese Kontakte allerdings begünstigt; das bedarf der Erwähnung, da schließlich die Hemmnisse auch detailliert aufgelistet sind: Post in Punktschrift wird gebührenfrei befördert. Das erleichterte zumindest Briefkontakte unter blinden und sehbehinderten Schachspielern - zunächst natürlich auf nationaler Ebene. Aber gemäß Artikel 9, Weltpostvertrag, Postgebührenfreiheit für Blindensendungen (in der letzten Fassung: Weltposthandbuch [Wien 1964]: Verträge des Weltpostvereins) heißt es: Unter Vorbehalt von Artikel 54, Paragraph 2 unterliegen Blindensendungen weder der Freigebühr noch den Sondergebühren für Einschreiben, Rückschein, Eilzustellung, Nachfrage und Nachnahme. Der Vorbehalt Artikel 54, Paragraph 2 nimmt Luftpost-sendungen insofern davon aus als sie grundsätzlich von den hier zu entrichtenden Zuschlägen nicht befreit sind. Und zur Durchführung Artikel 114 I/g der Vollzugsordnung zum Weltpostvertrag sind alle Blindensendungen, die ins Ausland gehen, zwar sowohl mit dem landesüblichen als auch mit dem international gebräuchlichen Vermerk: Cécogrammes kenntlich zu machen, sie werden aber gebührenfrei befördert; mit Hilfe anderer internationaler Blindenorganisationen wurden diese Kontakte rasch auch international, und sie wurden zu Fernschachkontakten vertieft. Heinz Reschwamm, von der Gründung an über fast drei Jahrzehnte - bis zu seinem Tode im Jahre 1987 Fernschachleiter der I.B.C.A., stammt aus Halle, Sachsen-Anhalt in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gelegen. Er übersiedelte im Jahre 1954 nach Westdeutschland, Bundesrepublik Deutschland; zu dieser Zeit existierten zwei Staaten auf deutschem Boden. Schon im Vorfeld der Gründung der Organisation der I.B.C.A. enstand -unter seiner Federführung - eine Fernschachturnierordnung. Ein Auszug aus einem Artikel der "Mitteilungen" des Österreichischen Blindenverbandes aus dem Jahre 1958 belegt beispielsweise, daß im Fernschach die Anfänge der I.B.C.A. liegen: "In der Zeit vom 12. bis 16. April 1958 fanden sich die Vertreter des Blindenschachs aus England, Schweden, Dänemark, Frankreich, der Deutschen Demokratischen Republik, dem Gastgeberland Bundesrepublik Deutschland und Österreich zur ersten internationalen persönlichen Fühlungnahme zusammen. Ziel dieser Tagung war es, die Wege und Methoden zur Verbreitung des ®königlichen Spiels¯ unter den Blinden in verschiedenen Ländern, wie auch die bereits erreichten Erfolge kennenzulernen. Breiten Raum nahm die Bestrebung ein, den bereits bestehenden Internationalen Blindenfernschachbund durch Forcierung des Brettschachs unter den Blinden in den internationalen Blindenschachbund auf breiter Ebene aufzubauen." Abgesehen von dem hier erwähnten Turnier, beschränkten sich bis zum Jahre 1961 die schachlichen Aktivitäten der I.B.C.A. ausschließlich auf die Durchführung internationaler Fernschachturniere und die damit zwangsläufig verbundenen Kontakte zwischen den Schachfreunden der einzelnen Länder. Chronologisch steht also das Fernschach am Anfang. Das bereits erwähnte Turnier blinder Fernschachspieler, das im Jahre 1951 begann, war ein erstes Zeichen. R. W. Bonham hatte dazu eingeladen. Auf deutscher Seite nahmen unter anderem Hermann Uekermann und Franz Rauher teil, von england waren E. Williams und J. Wall beteiligt. A. Hartig (Österreich) und M. Saurel (Frankreich) waren weitere Teilnehmer. Allerdings findet sich noch in einem Bericht der "Schachbrücke" von 1972 über den V. I.B.C.A.-Kongreß in Pula (Jugoslawien) der folgende Satz: "Bestätigt wurde eine Neufassung der Fernschachordnung, die sich stärker als bisher an die Turnierordnung der "International Correspondence Chess Federation" (I.C.C.F.)angleicht." Die Entwicklung war also und ist immer noch nicht abgeschlossen. Da Reisen heutzutage technisch einfacher und auch billiger ist als noch zu Beginn der I.B.C.A.-Schachaktivitäten, gewinnt das ®Spiel am Brett¯ zunehmend an Bedeutung. Trotzdem liegt im Fernschach der Keim für dieInternational Braille Chess Association. Immer wieder wird auch in Kreisen der International Braille Chess Association die Frage erörtert, ob der Schachcomputer das ®ende des Schachspielens¯ sein wird. Dazu ist anzumerken, daß Laufwettbewerbe nicht etwa deshalb als uninteressant, überflüssig oder sinnlos angesehen wurden, weil die technischen Entwicklungen uns mittlerweile mit Fahrzeugen beglückt haben, die ungleich raschere Fortbewegung als die des schnellsten Läufers ermöglichten. Die Freude am Schachspielen wird für den Einzelnen auch dadurch nicht wesentlich eingeschränkt, daß er in der Regel nicht das ®Zeug zum Weltmeister¯ hat. Das gilt schließlich für jede Sportart. Für die Bewegung, in der Waffentechnik sowie auch zum Rechnen und Kombinieren von Zahlen oder Kräften hat sich der Mensch viele Hilfsmittel ersonnen. Aber alle diese Hilfen sind vom Menschen abhängig, brauchen nicht nur oftmals geniale Konstruktionsideen, Wartung und Bedienung, sondern sind in ihren Leistungen auch sehr eng begrenzt. Die Fähigkeit zum Schachspielen ist bei einem dafür ausgelegten Computer zwar vorhanden, vielleicht auch in höherem Maße als bei einem Menschen, sie kann aber nur durch die an sich unsinnige Anhäufung ganz spezialisierter Vorgänge erreicht werden. Hiermit entsteht zunächst Quantität. Durch die zur Zeit mögliche unvorstellbare, ungeheure rechengeschwindigkeit von bis zu 200 Millionen Stellungsbeurteilungen pro Sekunde kann dann also - wie gary Kasparow es anläßlich seines Turniers mit DEEP BLUE Anfang Mai 1997 einmal ausdrückte "durch Quantität Qualität entstehen". Und dann kommt da natürlich noch etwas anderes - etwas typisch menschliches oder eventuell besser etwas, was allem Leben eigen ist, ins Spiel: Gut konstruierte und bediente Technik ermüdet nicht oder jedenfalls nur in einem vorausbestimmbaren Maße, was letztlich ja nur ein Problem der Pflege und Wartung ist. Jeder technische Apparat - auch der Computer - kann demnach nur Leistung erbringen, wenn die einzelnen Funktionen ständig vom Menschen überwacht, gesteuert und optimiert werden. ÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍ