International Braille Chess Association Die Geschichte der Organisation Zusammengestellt und mit überleitenden Texten versehen von Hans-Gerd Schäfer ÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ K A P I T E L V Spezielles ÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ Wie bereits erwähnt, ist für Kinder und Jugendliche die geistige und körperliche Auseinandersetzung mit der jeweiligen Umgebung und im Rahmen der individuellen Möglichkeiten sowohl ein Grundbedürfnis als auch eine Notwendigkeit im Hinblick auf die Vorbereitung auf das Erwachsensein. Bei der geistigen Auseinandersetzung, die für Blinde und hochgradig Sehbehinderte zwangsläufig von Beginn der Beschulung an eine herausragende Stellung einnahm, spielen Karten- und Brettspiele aller Art eine wesentliche Rolle. In unseren von den diversen Arten der Unterhaltungselektronik geprägten Zeiten ist zwar kaum noch verständlich, daß dies die Aufmerksamkeit junger Menschen in einem so hohen Maße fesseln konnte, die Freude an solchen Dingen ist aber - trotz allem - immer noch nicht ganz geschwunden. So spielt man also - wenn auch nicht in dem Maße wie noch vor wenigen Jahrzehnten - an den Schulen (auch an Blindenschulen) Schach. Es gibt aufgezeichnete Schachpartien, die nachgespielt werden können, Aufzeichnungen, die archiviert werden, und zur Erbauung oder zu Studien in der Zukunft dienen. Um eine Schachpartie in Punktschrift (Braille) aufzuschreiben, bedient sich der Blinde im allgemeinen der Stechtafel. Mittels vorgeprägter Formen, die der Würfelsechs entsprechen, werden bei diesem Schreibgerät nach der Vorgabe von Louis Braille in der Schablone der ®Würfelsechs¯ Punkte zu sinnvollen Zeichen zusammengestellt. Es gibt zwar auch die Braille-Schreibmaschine, die die Anfertigung von Partieaufzeichnungen für den Blinden und Sehgeschädigten erheblich erleichtert; sie benötigt aber viel Platz. Die normalen Plätze für Schachspieler sind jedoch recht eng bemessen: Das Schachbrett und - für jeden rechts davon - ein Formular, worauf die Züge einfach eingetragen werden, was schließlich auch völlig ausreicht - für den sehenden Schachspieler jedenfalls. Wenn man aber nicht sehen kann, welche Karte der Gegner ausspielt - welchen Spielstein der Gegner auf dem Brett wohin bewegt, dann muß der Gegner dies sagen. Auf diese Weise entwickelte sich beim Schachspielen auch das für das Spiel zwischen Blinden und hochgradig Sehgeschädigten wie auch für die Form des Spiels zwischen blinden und sehenden Schachspielern erforderliche Spiel an zwei Brettern. Die Internationalisierung der Schachorganisation erforderte nun unbedingt, daß ein Modus für eine Verständigung gefunden wurde, damit auch Russen und Engländer - Spanier und Deutsche einander Züge ansagen konnten und die Ansage des Gegners verstehen. Allerdings mußte zu diesem Zweck auch zunächst einmal ein einheitliches Spielmaterial definiert werden; der blinde Schachspieler mußte sich nämlich gegebenenfalls auch auf dem Brett seines Gegners zurechtfinden können. Schwierigkeiten, von denen man sich als Außenstehender kaum einen Begriff machen kann. Hier zur Veranschaulichung einige Auszüge aus Protokollen von zwei früheren I.B.C.A.-Kongressen: Aus der Niederschrift zum III. I.B.C.A.-Kongreß Ende März 1964 in Kühlungsborn (Deutsche Demokratische Republik): In der Debatte über die Vereinheitlichung des Spielmaterials wurde klar, wieviele verschiedenartige Schachspielausführungen es für Blinde gibt. So haben die Jugoslawen sehr große Bretter, und die Figuren sind am Fuß gekennzeichnet; In Österreich, England und Irland sind die weißen, in Deutschland und der Sowietunion die schwarzen Figuren gekennzeichnet. Desgleichen sind in einigen Ländern die weißen, in anderen Ländern jedoch die schwarzen Felder erhöht. Es wird zwar deutlich, daß kein Land von den gewohnten Ausführungen abweichen will. Demgegenüber zeigt sich aber auch, daß ein von der I.B.C.A. empfohlener Schachspieltyp vor allem in den Ländern gewünscht wird, in denen zur Zeit noch verschiedene Schachspiele in Gebrauch sind. Von mehreren Ländern werden die FIDE-Figuren vorgeschlagen. Anton Hartig (der Vertreter Österreichs) regte an, den von der I.B.C.A. empfohlenen Schachspieltyp anzunehmen. Von einzelnen Delegationen wurde auch auf die psychologische Seite des Problems der Vereinheitlichung verwiesen. dem Sehschwachen sagen danach große Bretter mit großen Figuren zu, während der Blinde kleinere Bretter mit entsprechenden Figuren vorzieht. Darüber hinaus wird von Sehschwachen auch oft ein Figurenset mit roten Figuren (anstelle der schwarzen) wegen des - subjektiv - besseren Kontrastes) gewünscht; diesem Wunsch konnte im I.B.C.A.-Regelwerk leider noch nicht Rechnung getragen werden, obwohl das wahrscheinlich keine unbillige Forderung ist. Schließlich stimmte man über die Frage ob die schwarzen Felder erhöht und die schwarzen Figuren mit einem Punkt auf der Spitze gekennzeichnet werden sollten ab. Der Vorschlag wurde angenommen. Die einzelnen Länder stellten in Aussicht, nach Möglichkeit die Herstellerfirmen, von denen ihre Organisation mit Spielmaterial versorgt wird, dahingehend zu beeinflussen. Beim VI. I.B.C.A.-Kongreß in Seinäjoki-Kuortane (Finnland) am 14. August 1976 zeigte sich, daß die heute allgemein anerkannten Kriterien für die Kennzeichnung des Schachbretts, die Blinden und hochgradig Sehbehinderten inzwischen überall auf der Welt geläufig sind, schon recht gut durchformuliert waren: Vereinheitlichung des Spielmaterials - Das I.B.C.A.- Turnierreglement (ANHANG ®Spiel an zwei Brettern¯) schreibt vor: "Das Schachbrett soll mindestens 20 x 20 cm groß, die Farbe der Felder deutlich erkennbar und die schwarzen Felder sollen erhöht sein. Die Figuren müssen dem Staunton-Modell entsprechen, wobei die schwarzen Steine besonders zu markieren sind." Zwei sehende Schachspieler brauchen ihre "Argumente auf dem Schachbrett nicht verbalisieren; Es genügt, daß derjenige, welcher am Zuge ist, die Schachuhr seines Gegenspielers in Gang setzt, um diesem anzuzeigen, daß er sich über die stattgefundene Bewegung auf dem Brett orientieren und seinerseits einen Zug durchführen möge. Neben den allgemeinen Schachregeln gelten für das Spiel von Blinden untereinander und Blinden gegen Sehende besondere Zusatzbestimmungen. Diese bereits 1954 - vor Gründung der I.B.C.A. - von der FIDE als notwendige Ergänzung erkannten und in ihrem Regelwerk in einer ersten Formulierung berücksichtigten Bestimmungen, sind Grundlage für das unerläßliche "Spiel an zwei Brettern". Der blinde Spieler benutzt meist ein Brett, das kleiner als das normale ist. Die Turnierordnung der I.B.C.A. enthält in dem erwähnten, speziellen Anhang, dessen Text auch - mit geringen redaktionellen Änderungen - im FIDE-Regelwerk als Protokoll IV aufgenommen wurde, diese Regeln für ein "Spiel an zwei Brettern"; hier wird auch für Steckbretter speziell für Blinde als Zweitbretter zum Tasten eine Mindestgröße von 20 x 20 cm festgelegt. Blinde und hochgradig Sehgeschädigte spielen aber - notwendigerweise - an zwei Brettern, da sie gezwungen sind, die Stellung der Figuren nach jedem Zuge und die sich daraus ergebenden kombinatorischen Möglichkeiten tastend zu erkunden. Deshalb legte die "International Braille Chess Association" die folgende Regelung, die als Protokoll IV auch Bestandteil des FIDE-Handbuchs ist, im Anhang zu ihrer Turnierordnung fest. Hier heißt es: "Für I.B.C.A.-Turniere soll das Spiel mit zwei Brettern und Schachfiguren, die für Blinde geeignet sind, verpflichtend sein." ®Für Blinde geeignet¯ bedeutet, daß die Figuren festgesteckt sein müssen, um ein Tasten zu ermöglichen; und Kriterien definiert sind, eine farbliche Unterscheidung auch dem Blinden kenntlich zu machen. Bei den schwarzen und weißen Feldern wie auch bei den schwarzen und weißen Figuren mußte hinsichtlich der Unterscheidungsmöglichkeit mit Hilfe der tastenden Hand eine allseits respektierte Übereinkunft getroffen werden. Sie lautet: "Die Farben der Felder sind klar zu unterscheiden, die schwarzen Felder muessen erhöht sein." ®Erhöht¯ heißt, daß die schwarzen Felder um etwa 1 bis 2 mm - je nach Größe des Brettes - herausgehoben sind. Die Angabe zu einer geforderten Mindestgröße eines Steckschachs für Blinde ®20 x 20 cm¯ hat wohl vor allem praktische Bezüge, die vielleicht so in Worte gefaßt werden können: a) Während jeder sehende Schachspieler ganz selbstverständlich davon ausgeht, daß der Veranstalter eines Schachturniers auch die erforderlichen Schachbretter, -uhren und das nötige Schreibmaterial, um die Partien aufzuzeichnen, bereitstellt, geht ein Blinder und hochgradig Sehbehinderter ebenso selbstverständlich davon aus, daß er alles mit sich führen muß, was er in dieser Hinsicht braucht. Dies ist einer der Gründe, warum die Steckbretter für Blinde klein sind und - oftmals - durch ein Scharnier oder auf andere Weise so unterteilt, daß sie noch kleiner zusammengelegt werden können, was der besseren Transportierbarkeit dient. Auch die Turnierordnung der I.B.C.A. sagt dazu: "Jeder Spieler muß das eigene Spielmaterial, - eine Blindenschachuhr, Schreibmaterial oder Diktiergeraet - mitbringen." b) Wenn sehende Schachspieler gegen nichtsehende spielen, stehen auf demselben Platz, der sonst für ein Brett - das vom Veranstalter zur Verfügung gestellte - gedacht ist, zwei Bretter - gemäß der blindenspezifischen Regelung - und dann muß der Blinde ebenfalls noch Platz für das eventuell auch umfangreichere Schreibmaterial finden, das er benötigt, um seine Partie zu notieren. c) Es ist erklärlich, daß die Turnierleiter Probleme mit der Erkennung einer Position auf einem so kleinen Brett, die zu dem auch noch teilweise von der ®tastenden Hand¯ verdeckt wird, haben, aber die gerade geschilderten Platzprobleme - beim Transport wie beim Einsatz - erzwingen kleine Schachbretter für Blinde. Im übrigen beeinträchtigt ein Schachbrett von 20 x 20 cm die Funktion dieses Hilfsmittels als Gedächtnisstütze für den Blinden und hochgradig Sehbehinderten in keiner Weise, sofern er die Position durch Tasten aufzunehmen gewohnt ist. Außerdem ist zu beachten, daß die ®tastende Hand¯ auf dem Schachbrett um so eher Gedanken und Planungen des blinden Spielers zu verraten geeignet ist, je größer dieses Schachbrett ist und je besser dieselbe Hand in ihren Bewegungen darauf mit dem Auge verfolgt werden kann. Die schwarzen Figuren werden an der Spitze so gekennzeichnet, daß der Finger schwarz und weiß bei Berührung sofort unterscheiden kann. Im Anhang zur Turnierordnung der I.B.C.A. heißt es: "Die Figuren sollen dem Staunton-Modell, bei welchem die schwarzen Figuren ein unterscheidendes Merkmal tragen, entsprechen." ®Staunton¯ bezieht sich natürlich auf den berühmten englischen Schachspieler, dessen im Jahre 1848 vorgestelltes Figurenset heute allgemein verwendet wird. Der schwache Punkt beim ®Spiel auf zwei Brettern¯ ist natürlich die sprachliche Übermittlung an den Gegenspieler. Hier legt der Anhang zunächst einmal ganz allgemein fest: "Die Züge werden deutlich und in der Reihenfolge ihrer Ausführung angesagt, vom Gegner wiederholt und von jedem Spieler auf seinem Brett - unmittelbar - ausgeführt." Die eigentliche Zugansage wird nun genauestens definiert, um Mißverständnisse so weit wie möglich ausschließen zu können. Die Vorschrift lautet: "Für die Angabe der Züge soll folgendes System angewandt werden: a) Die vertikalen Linien sollen von links nach rechts und von der weißen Position aus gesehen folgende Namen erhalten: Anna Bella Caesar David Eva Felix Gustav Hektor b) Die Horizontalen Linien von Weiß nach Schwarz sollen die Nummern 1-Eins 2-Zwei 3-Drei 4-Vier 5-Fuenf 6-Sechs 7-Sieben 8-Acht erhalten. c) Die Steine haben folgende Bezeichnungen Koenig Dame Turm Springer Laeufer Bauer" Damit ist - gemäß Übereinkunft - die deutsche Sprache zur Bezeichnung der Figuren und zur Angabe der Züge bei internationalen Begegnungen im Rahmen der I.B.C.A. festgeschrieben, während die Organisation den englischen Namen ®International Braille Chess Association¯ trägt. Obwohl diese Regelung offensichtlich keine Zweideutigkeiten zuläßt, ist dieser Weg der Zugübermittlung mit erheblichen Risiken verbunden, denen der Anhang zur I.B.C.A.-Turnierordnung Rechnung tragen muß. Bei Spielern, die verschiedenen Nationen und Sprachgruppen angehören, können phonetische Mißverständnisse nie ganz ausgeschlossen werden. Die in der Folge aufgeführten drei Punkte befassen sich intensiv mit dieser Problematik und allem, was damit zusammenhängt: "Ein Versprechen bei der Ansage des Zuges muß sofort, noch bevor die Uhr des Gegners in Gang gesetzt wird, berichtigt werden." Bei der Verständigung über einen Zug und bei der Umsetzung dieses Zuges kann es - trotz aller Vorsicht und dem Einsatz subtilster Hilfskonstruktionen - zu Differenzen kommen. Dafür muß einfach vorgesorgt sein, und die I.B.C.A. ist bestrebt, den Turnierleitern in solchen Situationen Verhaltensmaßregeln an die Hand zu geben, die eine neutrale Art der Auflösung solcher Diskrepanzen in gegenseitigem Einverständnis nahelegen. "Sollte es vorkommen, daß man auf den zwei Brettern verschiedene Positionen vorfindet, so muß dies vom Turnierleiter unter Berücksichtigung der Spielaufzeichnungen beider Spieler korrigiert werden. Bei der Auflösung solcher Differenzen muß derjenige Spieler, der den richtigen Zug aufgeschrieben aber den falschen ausgeführt hat, Nachteile in Kauf nehmen." "Die von jedem Spieler bis zur Entdeckung des Fehlers verbrauchte Bedenkzeit ist durch die Zahl der Züge zu teilen und entsprechend zu reduzieren." Der Fall, daß sich Mißverständnisse häufen und demzufolge auch ein völlig anderer Partieverlauf aufgezeichnet wird, ist ebenfalls denkbar, und er muß demnach berücksichtigt werden: "Sollte bei solchen Diskrepanzen der Fall auftreten, daß die Aufzeichnungen auch unterschiedlich sind, so müssen die Züge bis zu dem Punkt zurückgeführt werden, an dem die Aufzeichnungen noch übereinstimmen. Demgemaeß muß der Turnierleiter die Uhren wieder neu einstellen." Da der blinde und hochgradig sehgeschädigte Schachspieler nur durch Abtasten, das heißt ®Berühren¯ seiner Figuren deren Position ermitteln kann, war für die Regel [Berührt - Geführt] auch eine eigene Version zu finden und festzulegen. Sie lautet: "Eine Figur soll als Berührt betrachtet werden, wenn sie aus der Sicherungsöffnung entfernt wurde." Davon ausgehend wird die ®Durchführung eines Zuges¯ folgendermaßen definiert: "Ein Zug gilt als durchgeführt, a) wenn Eine Figur in eine andere Sicherungsöffnung gegeben wird; b) im Falle eines Schlagens die geschlagene Figur von dem Spieler, der am Zuge ist, vom Brett entfernt worden ist." Mutet die ganze Prozedur schon etwas umständlich an, so wird man vollends verstehen, daß der blinde und hochgradig sehgeschädigte Schachspieler zeitliche Nachteile wegen seiner Behinderung in Kauf zu nehmen hat, wenn man die folgende Regelung, die allerdings ohne Alternative ist - liest: "Erst wenn der Zug angesagt ist, darf die Uhr des Gegners in Gang gesetzt werden." Als nächstes wird die Blindenschachuhr zum unabdingbaren Attribut für die offiziellen I.B.C.A. Turniere erklärt und das Wesentliche so beschrieben: "Eine Blindenschachuhr, die mit tastbaren Punkten - alle fünf Minuten - und Strichen - jede viertel Stunde - sowie mit tastbaren Stunden- und Minutenzeigern und "Fallblättchen" (Fahnen) versehen ist, muß verwendet werden." Die technische Entwicklung hat 1994 eine Erweiterung dieser Vorschrift erforderlich gemacht, da die mechanische Schachuhr in Konkurrenz zu einer digitalen Schachuhr trat, die die beiderseits verbrauchte Zeit mit synthetischer Stimme spricht. Abgesehen davon, daß die digitale Schachuhr ungleich präziser in ihrer Zeitangabe ist, lautete das unwiderlegbare Argument des zu dieser Zeit amtierenden I.B.C.A.-Präsidenten, Delfin Burd¡o Gracia, zugunsten der digitalen Schachuhr mit Sprachausgabe: "Wir dürfen uns dem Fortschritt nicht verschließen." Die digitale Schachuhr zeigt große Zahlen für Sehbehinderte; für Blinde ist sie darüber hinaus mit einer Sprachausgabe versehen; die Abnahme der Sprache aus der Schachuhr kann natürlich - um die für das Schachspiel notwendige Ruhe im Turniersaal nicht zu stören - nur mittels Ohrhörer erfolgen. Um dem internationalen Charakter der I.B.C.A. Rechnung zu tragen, müssen weiterhin verschiedene Sprachen angeboten werden. Englisch und Deutsch sind mindest-Standard, da dies die offiziellen Sprachen der I.B.C.A. sind. Diese Erweiterung wurde folgendermaßen gefaßt: "Eine sprechende Schachuhr, die über Englisch und Deutsch verfügt oder Sprachen, die beiden Spielern verständlich sind, kann in I.B.C.A.-Turnieren auch anstatt der Braille-Schachuhr benutzt werden. Können sich die beiden Gegner nicht darüber einigen, welcher Typ Schachuhr benutzt werden soll, gilt der Wunsch des Spielers mit den weißen Steinen." Natürlich ist diese Lösung unbefriedigend. Dabei mag auch eine persönliche Sympathie oder Antipathie mitspielen, die nicht immer beim Ablegen einer ®alten Gewohnheit¯ ganz zu unterdrücken ist. Blinde und hochgradig sehgeschädigte Schachspieler haben sich nun einmal seit Jahrzehnten mit der Schachuhr, die dem ®tastenden Finger¯ binnen Sekundenbruchteilen die noch zur Verfügung stehende Zeit mitteilt, vertraut gemacht. Aber es gibt auch durchaus ernste, reale Einwände gegen die ®sprechende Schachuhr. Sergej Wassin, selber ausgezeichneter Schachspieler, hundert Prozent blind und Präsident der Vereinigung sehgeschädigter Schachspieler der Ukraine, merkt dazu an: "Die elektronische Schachuhr hat ernste Mängel. Diese Mängel schließen aus, sie in den offiziellen Turnieren der I.B.C.A. zwingend vorzuschreiben. Der Blinde braucht 15 Sekunden, um sich die Zeit sagen zu lassen, weil die Ansage unnötigerweise immer Zeit damit verliert zu sagen, wer am Zuge ist, wessen Zeit ausgesprochen wird und - praktisch immer - von welcher Stundenzahl ausgegangen wird. Die Darstellung der Ziffern ist für Sehschwache ungeeignet. Sie beklagen, daß die Erkennung der Digitalanzeige sehr mühsam sei. Der Produzent hat ein ganz wesentliches Axiom der Rehabilitationstechnik außer Acht gelassen: ®Das Gerät soll den Sehrest schützen und die optische Nutzung des noch vorhandenen Sehrestes ermöglichen¯. Die praktische Handhabung der Uhr ist sehr kompliziert und für den Vollblinden nicht möglich. Fakt ist, daß zwei völlig Blinde ohne Hilfe Dritter mit dieser Uhr nicht spielen können. Bei der Kontrolle der einzustellenden Zeit hat der Blinde keinen Sprech- oder Tonkontakt mit der Uhr, obwohl dies heute technisch durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Durch die Kombination verschiedener Sprech- und Tonsignale muß die Uhr dem blinden Spieler gestatten, auf Anfrage die folgenden Informationen zu erhalten: a) Bis zur Zeitkontrolle verbleiben noch drei Minuten oder aber eine Minunte - 54 Sekunden b) Das Blättchen ist bereits gefallen c) Die Zeiteinstellung wurde verändert und Ähnliches mehr. Die Uhr ist nicht zuverlässig! Ich versuchte bislang selber zweimal damit zu spielen - dabei einmal während der 31. FIDE- Schacholympiade im Dezember 1994 in Moskau. Beide Male traten Störungen an der Uhr auf. Ich muß weiterhin anmerken, daß die Herrenmannschaft der I.B.C.A. mehrheitlich die elektronische Schachuhr ablehnte. Ich bin deshalb überzeugt, daß der Kongreß in dieser Angelegenheit einen ganz beliebigen Beschluß fassen kann. Die Mehrheit der blinden und sehgeschädigten Schachspieler wird dieses Modell der elektronischen Schachuhr ablehnen und nicht kaufen. Sie ist schon heute veraltet und entspricht weder dem Stand der Technik noch den Bedürfnissen Blinder und Sehschwacher in unserer Zeit und noch viel weniger den zu erwartenden Entwicklungen in der Zukunft.." Der nächste Punkt, den es in Regeln zu kleiden galt, sieht für jeden Schachspieler ganz wie eine natürliche Notwendigkeit aus. Hier zeigt sich aber wieder einmal eine derjenigen Besonderheiten, die das Entstehen nationaler und internationaler Blindenschachorganisationen erforderlich gemacht haben. Die Aufzeichnung der Partie konnte zu Beginn der I.B.C.A. ausschließlich in Braille-Schrift erfolgen. Erst die weitere Entwicklung vom Tonbandgerät zum Standardcassettenrecorder und - vor allem - die dadurch mögliche Miniaturisierung der Aufnahmegeräte erlaubte deren Einsatz zur Partieaufzeichnung. Die Regel ist wie folgt gefaßt: "Jeder Spieler hat eine geschriebene oder auf Band aufgenommene Aufzeichnung der Partie zu führen." Die Nutzung der modernen Technik eröffnet inzwischen sogar das Schachbrett mit integrierter Uhr, das selbständig die gespielte Partie aufzeichnet und die gespeicherten Daten auf Anforderung an einen Computer abgibt. Leider ist das für Blinde und Sehgeschädigte noch nicht verwirklicht. Die Hersteller behaupten, daß die zu erwartende Stückzahl für eine kostendeckende Produktion nicht ausreichend sei. Die nächste Bestimmung ist schon oft in gegenseitigem Einvernehmen zwischen dem Betroffenen einerseits und Gegner bzw. Turnierleiter andererseits zur Anwendung gekommen und hat sich auch in dieser Form gut bewährt: "Spieler, die das Augenlicht erst vor kurzem verloren haben, oder mehrfach behindert sind und nicht in der Lage, die üblichen Tätigkeiten auszuführen, dürfen in Übereinstimmung mit dem Turnierleiter einen Assistenten beantragen, der a) die Züge ausführen soll, b) die Uhr in Gang setzen soll, c) die Aufzeichnungen führen soll, d) den Spieler auf seine Bitte über die Zahl der Züge und die verbrauchte Zeit beider Spieler informieren soll." Erst beim X. Kongreß im Jahre 1992 in Ca'n Picaforte auf Mallorca (Spanien)wurde der letzte hier folgende Punkt auf Antrag der Britischen Blindenschachorganisation angefügt, der einen nur kleinen Einblick in die Schwierigkeiten gibt, die auch innerhalb einer solchen Organisation auftreten; denn blind ist nicht in jedem Falle gleich blind: Spieler mit Sehrest haben das Recht, zusätzliche Beleuchtung zu verlangen, falls die Beleuchtung an ihrem Tisch ungenügend ist. Trotz aller Hemmnisse, die hier aufgelistet sind, bereitet Schachspielen auch denen viel Freude, die die jeweiligen Positionen mittels Tastsinn aufnehmen müssen. Wir hoffen auch weiterhin darauf, daß die Fédération Internationale des Echecs durch die Aufnahme blindenspezifischer Regelungen in ihr Regelwerk und dadurch Verbreitung und Propagierung dieser Besonderheiten an die F.I.D.E.-Schiedsrichter die Möglichkeit Blinder und hochgradig Sehgeschädigter fördert, mit Freude schachspielen zu können. Es gibt einige erfahrene I.B.C.A.- Schiedsrichter, die auch immer wieder bei den großen I.B.C.A.- Turnieren in Erscheinung treten. Ihnen verdankt die I.B.C.A. sehr viel. Leider hört man jedoch auch von Zeit zu Zeit, daß Blinde und hochgradig Sehgeschädigte in massiver Weise diskriminiert werden. Ich schreibe dies als Appell an die Verantwortlichen und deren Instruktoren, nicht Äußerlichkeiten in den Vordergrund zu stellen, sondern die Freude am Spiel höher als die kleinen Unbequemlichkeiten beim "Spiel an zwei Brettern" Blinder untereinander und - besonders wichtig - Blinder und hochgradig Sehgeschädigter mit sehenden Schachspielern - in Integrationsturnieren höher zu bewerten. Der blinde und hochgradig sehbehinderte Schachspieler, der schon sein Spielmaterial selber bezahlt hat, zu Turnieren selber mitbringen muß und oftmals noch unter platzmäßig so eingeschränkten Bedingungen spielt, hat aber noch mehr zu berücksichtigen: Er ist bei Fahrten zu den Turnieren wie auch bei vielen alltäglichen Handreichungen auf Begleitung angewiesen; das heißt, es ist eine zweite Person erforderlich, die mitreist und mit im Hotel wohnt. Grob gerechnet verdoppeln sich dadurch die Teilnahmekosten an einem Schachturnier für Schachfreunde, die blind oder hochgradig sehgeschädigt sind. Neben den physischen Beeinträchtigungen - gibt es also ganz erhebliche finanzielle Aufwendungen, die dem Blinden und hochgradig Sehgeschädigten abverlangt werden, wenn er seinem Hobby frönen will. Trotz alle- dem gibt es noch Schachfreunde, die dies tun. ========================