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Info-Mail Schach Nr. 51



Hallo Schachfreunde,
neben einem Bericht über ein "normales" Vereinsturnier gibt es heute einen
recht umfangreichen Artikel über weniger "normale" Dinge zu lesen. Aufhänger
des im Badischen Tagblatt veröffentlichten Beitrags ist ein Münzwurf, der
einen Mannschaftskampf entscheiden sollte. Aber die Beteiligten mußten fest-
stellen, dass es beim Münzwurf auch eine dritte Möglichkeit gibt.

Chaos auch bei den Weltmeisterschaften - beim Zonenturnier in Kroatien hat
sich von den fünf angetretenen deutschen Spielern nur Christopher Lutz
für die FIDE-WM qualifiziert (Finanzierung, Termin, Ort, Austragungsmodus -
ungewiss).

Bei der privaten Kasparow-WM scheinen Schirow und Anand jetzt durch Kramnik
ausgebootet. Möglicherweise hat aber auch er bei der Kandidatentombola eine
Niete gezogen. Die Rechtsanwälte zweier englischer Großmeister streiten, wer
den im Oktober 2000 in London geplanten Wettkampf ausrichten darf.

Heile Welt beim "normal" verlaufenen Frühlingsfest in Leimen - trotz
hochsommerlicher Temperaturen - es grüßt
herbert Lang


Neueste Meldung aus dem Internet vom 15. Mai - FIDE-WM vom 25.11.-20.12.2000 -
in Neu-Delhi bzw. Finalkämpfe in Teheran!! - m.E. ist politischer Ärger
vorprogrammiert!

Vereinsmeisterschaft 2000
des Blinden- und Sehbehinderten-Schachklubs Köln-Bonn 1981 e.V.

Ewald Heck aus Troisdorf schreibt:

Nachdem sich in den Vorjahren Hannelore Kübel, Ewald Heck, Walter Hasenbeck
und Willi Beckmann im Wanderpokal als Sieger eintragen lassen konnten,
gelang im Jahr 2000 Clemens von Rosenberg erstmals der Sprung an
die Spitze. Mit einer ausgeglichenen Leistung (4 Siege und 3 Remisen)
sicherte er sich den Titel vor Hannelore Kübel.

Abschlußtabelle Gruppe A:
1. von Rosenberg        5,5
2. Kübel                4,5
3. Klamm                4,0
4. Engel                3,5
5. Kluitmann            3,5
6. Hasenbeck            3,0
7. Heck                 3,0
8. Gorski               1,0

Abschlußtabelle Gruppe B:
1. Dykhuizen            5,0
2. Esser                4,0
3. Kremer               2,5
4. Daum                 2,0
5. Bourauel             1,5
6. Rick                 0,0



Pasings Etat reicht nur für eine Münze - Münzwurf sollte über Auf- und Abstieg
in der Zweiten Bundesliga Süd entscheiden
von Hartmut Metz

  Die Schach-Bundesliga befindet sich im dritten Jahrzehnt ihres Bestehens
in der Krise. Rückzüge der Mannschaften mangels privater Mäzene kulminierten
heuer in gleich vierfachem Verzicht auf das Oberhaus der deutschen Denker:
Der Tabellendritte Delmenhorster SK zog sich nach der erfolgreichsten Saison
der Vereinsgeschichte freiwillig in die Zweite Bundesliga zurück. Der
dadurch gerettete Viertletzte, der Dresdner SC, winkte ab und überließ den
Platz lieber dem Tabellen-14. aus Plauen. Kaum besser gestaltet sich die
Situation im Unterhaus. West-Meister Zeppelin Neu Herne wagte nicht den
Versuch, in die dünne Luft aufzusteigen. Nach dem Abschied des Sponsors löst
sich der Verein sogar auf. Die Reserve des deutschen Meisters SG Porz darf
nicht hoch - so kommt jetzt der SC Gelsenkirchen als Dritter in den
fragwürdigen Genuss, ohne große Geldgeber den Prügelknaben zu mimen.

   In der Zweiten Bundesliga, Staffel Süd, tat der SC Pasing kund, ebenfalls
zu verzichten. Doch diesmal lag der Grund nicht allein in einem befürchteten
finanziellen Desaster durch einen im niedrigen sechsstelligen Bereich
liegenden Erstliga-Etat. Der Mannschaftsführer der Münchner hatte sich noch
am Abend nach dem entscheidenden 4,5:3,5-Sieg über Absteiger VfL
Sindelfingen zum Aufstieg gratulieren lassen. Wolfgang Zahn erklärte
gegenüber Staffelleiter Hajo Gnirk (Schwäbisch Gmünd), man wolle das Wagnis
für ein Jahr" eingehen. Doch kurz darauf folgte die Kehrtwende. Nicht, weil
Geldgeber absprangen, sondern weil Betrug ruchbar wurde und die Gemüter
beruhigt werden sollten. Deshalb verbreiteten die Pasinger plötzlich, der
Aufstieg käme zu früh, man verzichte zugunsten der SF 1982
Baiertal-Schatthausen.

   Vor der letzten laufenden Zweitliga-Partie zwischen Pasing und
Sindelfingen stand es 3,5:3,5. Durch ungeschicktes Spiel hatte der Mexikaner
Julian Estrada Nieto eine Gewinnstellung mit König, Turm und zwei Bauern
gegen König und Turm des Pasingers Michäl Gschwendtner ins Remis verdorben.
Angesichts der anderen Resultate wurde den Mannschaften gewahr, daß bei
einem 4:4 weder die Bajuwaren aufstiegen noch die Schwaben den Klassenerhalt
vor dem Post SV Ulm schafften. Um der Malaise Abhilfe zu schaffen, trafen
sich die Kapitäne Zahn und Armin Huber weit entfernt vom Schiedsrichter auf
der Toilette. Geld hat der SK Pasing angeblich keines, aber eine Münze fand
sich doch für einen Wurf. Dieser sollte entscheiden, wer sein Saisonziel
noch erreicht. Pasing schien im Glück.

   Pech jedoch, daß die Stellung von Gschwendtner ungewinnbar wirkte. Daran
änderte auch nichts, daß der bekannte Schnellspieler Estrada Nieto fortan
wie sein Gegner kaum noch am Brett gesehen wurde und seine Bedenkzeit bis
auf wenige Minuten ablaufen ließ, um hernach den Patzer des Jahres besser
erklären zu können. "Es war keine normale Zeitnot", versucht Gschwendtner zu
begründen, warum der Internationale Meister aus Mexiko seinen Turm durch
einen Zug, für den man jedes Kleinkind tadelte, verlor. Die außergewöhnliche
Belastung führt auch Mannschaftsführer Zahn an, für den zudem plötzlich
schon vor dem letzten Spieltag der Pasinger Aufstiegsverzicht "klar war".
Weil alle Partien der oberen Klassen veröffentlicht werden, rochen indes
zahlreiche Schachspieler angesichts eines dubiosen Turmverlustes Lunte - vor
allem die geprellten aus Baiertal-Schatthausen. Doch auch Staffelleiter
Gnirk wurde von sich aus wegen "grober Unsportlichkeit" tätig. Während die
Pasinger Strippenzieher Zahn und Gschwendtner nach Ausflüchten ringen,
schweigen Huber und Estrada beharrlich zu den Vorwürfen. Reuige Sindelfinger
Mannschaftskameraden räumten den Betrug jedoch ein.

   Staffelleiter Gnirk nahm die unsportlichen Pasinger in die Mangel. Er
erkennt zwar die "verständliche menschliche Verführung", beim sich
abzeichnenden 4:4 die Chancen auf einen 4,5:3,5-Sieg per Münzwurf "von null
auf 50 Prozent zu erhöhen", an einer Bestrafung hielt der Schwäbisch Gmünder
dennoch fest. Die beteiligten Spieler, der uneinsichtige Gschwendtner sowie
Estrada (Gnirk: "Er soll mehrfach nachgefragt haben, ob er wirklich
verlieren soll"), kommen ungeschoren davon. Auf ihnen lastete der
Gruppendruck", meint der Schwäbisch Gmünder. 100 Mark Bußgeld für Absteiger
Sindelfingen und 200 Mark Strafe sowie Abzug der zwei Punkte für Pasing
lauten die glimpflichen Urteile für die Vereine. "Höher kann ich laut
Turnierordnung leider nicht gehen", erklärt Gnirk und macht kein Hehl
daraus, daß er Pasing mit dem Zwangsabstieg belegen würde. Ungeheuerlich
findet es auch der Geschäftsführer des Deutschen Schachbundes (DSB), Horst
Metzing, daß Pasing mit einer "derart groben Unsportlichkeit" so billig
davonkommt. "Solche Dinge müssen härter bestraft werden, ansonsten wird
Schach unglaubwürdig." Sportdirektor Reinhold Kasper und das
Bundesturniergericht nimmt er vor dem Vorwurf der Unfähigkeit in Schutz. Die
Satzung ließe nicht so leicht harte Urteile wie einen Zwangsabstieg zu,
gleichwohl Kasper Geldstrafen bis zu 2.000 Mark verhängen dürfe. Metzing
regt an, die Bundesspiel-Kommission müsse sich Gedanken über eine
Satzungsänderung machen, um in Zukunft solcherlei Betrug leichter ahnden zu
können. Der DSB-Geschäftsführer leitete den Vorfall ans Präsidium weiter,
damit sich dieses damit befasst.
(Stellung der erwähnten Partie am Ende dieses Artikels!)

   Die Gremien um Sportdirektor Kasper hatten in dieser Saison bereits mit
mehreren merkwürdigen Entscheidungen für Unmut gesorgt. Leidtragende waren
zuvor Damen-Bundesligist Karlsruher SF und der SK Freiburg-Zähringen.
Tabellenführer Karlsruhe hatte sich vor dem Doppel-Spieltag gegen Turm
Krefeld und Leipzig Gohlis bei Staffelleiter Peter Mielke wegen des
Einsatzes mehrerer Spielerinnen rückversichert. Neben den Ausländerinnen
Maia Lomineischwili und Yuliya Sheynina wollte der Spitzenreiter Nellya
Vidonyak einsetzen. Diese war im Bundesliga-Heft als Deutsche geführt,
obwohl Karlsruhe diese als Nicht-EU-Ausländerin gemeldet hatte. Mielke
bestätigte per E-Mail die dortigen Angaben als "grundsätzlich" bindend und
endgültig. Außerdem dürfe der Klub sogar, wenn er wolle, die Französin
Muller einsetzen. Daraufhin boten die Badener alle drei Spielerinnen auf und
fegten Leipzig mit 6:0 und Krefeld mit 4,5:1,5 von den Brettern. Groß die
Verwunderung, als die Kantersiege der Karlsruher vom DSB wegen des Einsatzes
dreier Ausländerinnen in zwei 0:6-Schlappen umgewandelt wurden. Leipzig
blieb so anstatt Rotation Berlin im Oberhaus, Karlsruhe entging ein
Stichkampf um die Meisterschaft mit Dresden und Emsdetten. Obwohl das
Bundesliga-Heft und DSB-Funktionär Mielke für die Fehler verantwortlich
sind, wurde der Verein bestraft, der durch seine zusätzliche Anfrage mehr
als genügend Sorgfalt bewiesen hatte.

   Der SK Zähringen wurde in der siebten von neun Runden um einen im
Abstiegskampf entscheidenden Mannschaftszähler betrogen - und ausgerechnet
Pasing war wieder beteiligt. Der Zähringer Hubert Schuh besaß eine leicht
gewonnene Stellung mit rund zehn Bauerneinheiten Vorteil auf dem Brett.
Einziges Problem: Die Bedenkzeit war knapp. Als das Blättchen fiel,
reklamierte Hilfsschiedsrichter Dieter Lamprecht (München) - Schiedsrichter
Armin Herbst (München) hatte die Aufgabe delegiert, obwohl er in keinem
anderen Duell benötigt wurde - Zeitüberschreitung zugunsten des Pasingers
Klaus de Francesco. Als sich jedoch beim Nachspielen herauskristallisierte,
daß bereits 41 Züge gespielt waren, änderte Pasings Sympathisant Lamprecht
seine Aussage dahingehend, das Blättchen sei schon einen Zug vorher gefallen
... Dagegen wehrt sich der als untadeliger Sportsmann geltende Schuh: "Wären

es 40 Züge gewesen, hätte ich die Entscheidung akzeptiert und mich nur über
mich selbst geärgert, weil ich ruhig die Züge notierte. Ich bin mir aber wie
meine Mannschaftskameraden Christof Herbrechtsmeier und Christian Maier
hundertprozentig sicher, daß das Blättchen im tatsächlichen 40. Zug noch
oben war. Für meinen 41. Zug überlegte ich nämlich ein paar Sekunden, ehe
ich ihn ausführte und das Blättchen fiel." Die drei Zähringer boten nicht
nur eine eidesstattliche Versicherung zu dem Vorfall an, sie benannten auch
drei Pasinger als Zeugen für die Verhandlung. Die vorsetzliche
Falschaussage Lamprechts (O-Ton Herbrechtsmeier) übernahm Kasper ohne
Anhörung der von der Gegenseite vorgeschlagenen Akteure. Dieses
von eigenartiger Beweisaufnahme geprägte Verfahren hätte auch zu eklatanter
Wettbewerbsverzerrung geführt, hätte Zähringen seine Mannschaft nicht
ohnehin zurückgezogen. Erst kurz vor dem letzten Spieltag (und nicht schon
vor dem achten, was man angesichts der Brisanz erwartet) wurde die
Entscheidung des Bundesturniergerichts veröffentlicht.

   Mittlerweile hat Zähringens Vorsitzender Christoph Müller die Berufung
doch zurückgezogen, obwohl DSB-Bundesrechtsberater Wolfgang Unzicker
(pensionierter Richter und Großmeister) die Chancen auf einen Erfolg wegen
der eklatanten Verfahrensmängel als gegeben sieht. "Herr Alt deutete mir
gegenüber an, daß die Entscheidung in zweiter Instanz nicht anders
ausfalle. Deshalb wollte ich die 700 Mark für den Einspruch nicht
riskieren", erklärt Müller, zumal eine weitere Zweitliga-Saison für das
badische Schach-Aushängeschild keinen Sinn mehr mache. Der Kader zerstreut
sich in alle Himmelsrichtungen. Den kompletten Zerfall des vieljährigen
Erstligisten kann der Vorsitzende vermutlich aber stoppen. "Die Chancen
stehen 60:40, daß wir in der nächsten Saison in der Oberliga spielen",
dementiert Müller die Rückzugsgerüchte.

   Was die DSB-Funktionäre anlangt: Vorerst zeigt nur Gnirks Entscheidung
Gerechtigkeit. Durch den Abzug der zwei Zähler gewinnt wenigstens
Baiertal-Schatthausen die Meisterschaft - und das junge badische Team nimmt
sogar das Aufstiegsrecht wahr.

Nun noch zur "Münzwurf-Partie" Gschwendtner,Michael (Pasing) DWZ 2147 -
Estrada Nieto,Julian (Sindelfingen) ELO 2360 - Brett 8 des Wettkampfs:
Weiss hatte nach dem 73. Zug glücklich eine theoretische Remisstellung
erreicht und nach einigen weiteren Zügen hätte jeder Spieler auf der Welt
mit Weiss dreifache Zugwiederholung reklamiert. Wer glaubt in solch einer
Position schon an das Wunder eines gegnerischen Turmeinstellers oder an ein
Selbstmatt? "Warum sollte ich ein Remis reklamieren, wenn das der Mannschaft
nicht reicht? Ob ich verliere oder nicht, ist mir egal. Ich hänge nicht an dem
halben Punkt", erläutert der "selbstlose" Michael Gschwendtner, warum er gegen
den vermeintlich übermächtigen IM keine Punkteteilung einforderte.
Zum Eklat kam es nach weiteren belanglosen Zügen in folgender Stellung nach
dem 95.Zug von Weiss -
Weiss: Kh4, Tb4  - Schwarz: Kd4, Tf4, Bg4, h6
95. - Kc5!!
"Ich weiß nicht, warum er den Turm einstellte", sagt Gschwendtner. Andere
wissen es mittlerweile.
96.Txf4 - 1-0




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