Hallo Schachfreunde, in Leimen ist es heiß - viel zu heiß; mir wäre es lieber gewesen, man hätte sich an den Spielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft erwärmen können. Die blinden Schachspieler gönnen sich bei dieser Hitze eine Pause, um dann Anfang Juli im spanischen Benasque in diversen Turnieren an den Start zu gehen. Schachlicher Hochbetrieb herrscht jedoch bei den Frankfurt Chess Classic vom 16. bis 25. Juni - die zehn besten Schachspieler der Welt geben sich ein Stelldichein. Bei zahlreichen Rahmenveranstaltungen steht vor allem auch der Computer im Vordergrund. Höhepunkt wird ab Donnerstag das GIANT sein. Die Top 6 der Weltrangliste (Kasparow, Anand, Kramnik, Schirow, Morosewitsch, Leko) spielen in einem doppelrundigen Wettbewerb Partien mit jeweils 25 Minuten Bedenkzeit - also eine inoffizielle Schnellschach-Weltmeisterschaft. Wir werden von dieser Veranstaltung nochmals berichten. Heute zwei Kleinigkeiten zum Einlesen. Zuerst wird auf der Homepage von Chessbase geschildert, dass die schachliche Spielstärke vom Gewicht beeinflußt werden kann. Dann folgt ein Bericht über eine Simultanveranstaltung der besonderen Art. Wenn wir uns schon nicht am Spiel der Kicker bei der Europameisterschaft erfreuen können, versuche ich es mit einigen Sprüchen zum Thema Fußball - gefunden auf der Internetseite - www.blutgraetsche.de - die heißt wirklich so. Wenn´s denkst, ist eh zu spät (Gerd Müller) Wir sind hierher gefahren und haben gesagt: Okay, wenn wir verlieren, fahren wir wieder nach Hause (Marco Rehmer) Wir wollten in Bremen kein Gegentor kassieren. Das hat auch bis zum Gegentor ganz gut geklappt (Thomas Häßler) Mailand oder Madrid - Hauptsache Italien! (Andreas Möller) Das interessiert mich wie eine geplatzte Currywurst im ostfriesischen Wattenmeer (Dieter Eilts) Ich habe fertig (Giovanni Trappatoni) Ich auch - herbert Lang 21. Juni = Tag des Schlafes - fast hätte ich den Versand dieser eMail verschlafen. Fritz wiegt 250 kg Fujitsu-Siemens Computers ist der Hauptsponsor der Frankfurter Chess Classic 2000. Daher spielt Fritz auf der Primergy N800, ihrem Serverflaggschiff. Diese traf Freitag nachmittag am Spielort in Frankfurt Zeilsheim ein und stellte ihre Betreuer vor ein schwergewichtiges Problem: Wie soll man einen 250kg schweren und sehr unhandlich großen Hochlastserver über schmale Treppchen auf die Bühne wuchten? Die radikale Lösung der anwesenden Fujitsu-Siemens-Ingenieure: Auseinanderbauen, Teile einzeln hochtragen, oben wieder zusammenbauen. Hinter der hohen Masse der Maschine steckt auch hohe Leistung. Sie besitzt acht Prozessoren ß 700 MHz und ist damit der derzeit schnellste NT-Server der Welt. Fritz erreicht nach einigen Minuten bis zu 2.8 Millionen Stellungen pro Sekunde. Im Fritzlager herrscht vor den ersten Partien trotzdem beachtliche Nervosität. Eine solche Maschine verpflichtet zu guten Leistungen. Auf der kürzlich gespielten holländischen Meisterschaft hatten jedoch die Spieler durch geschicktes Anticomputerschach eindrucksvolle Siege erreicht. Auf der Eröffnungspressekonferenz erklärte z.B. Anand, die holländischen Partien genau studiert zu haben. So ist das diesjährige Aufeinandertreffen von Fritz und den stärksten Großmeistern der Welt spannender denn je. Auf der einen Seite eine phantastisch schnelle Maschine und ein deutlich verbessertes Programm das alle Weltranglisten anführt. Auf der anderen Seite konzentriert vorbereitete Spitzenspieler, die inzwischen ein deutlich besseres Verständnis für die Schwächen von Schachprogrammen entwickelt haben. 1000 Mark für ein bisschen Kasparow lohnten sich Simultanplatz-Versteigerung im Internet ein großer Erfolg Von Hartmut Metz äIm Leben eines Schachspielers ist es das Größte, einmal gegen den besten Spieler aller Zeiten zu spielen.ô Diese Ansicht vertraten zahlreiche Hobbyspieler und beteiligten sich an einer Versteigerung von 20 Plätzen in einem Simultan gegen Garri Kasparow. Der 37-jährige Russe gab in Bad Soden eine Vorstellung an 40 Brettern, die Hälfte davon wurde auf der Homepage des SC Frankfurt-West (www.frankfurt-west.de) versteigert. Das Mindestgebot von 150 Mark für eine Teilnahme an dieser Deutschland-Premiere war rasch übertroffen. In den letzten Stunden kletterten die Spitzenpreise bis auf 1.000 Mark. Ein Geschäftsmann wollte seinen Kunden das einmalige Erlebnis garantieren, weshalb dreimal vierstellige Beträge geboten wurden. Um 23.58 Uhr, kurz vor Toreschluss, traf das letzte Gebot ein – und kam mit 393 Mark gerade noch zum Zuge. Turnierdirektor Michael Tischendorf, der die Internet-Versteigerung leitete, erlebte manch überschwängliches Gefühl: äDie Freude, welche Ihre Mitteilung über meinen Platz im Simultan gegen Kasparow bei mir auslöste, kann ich gar nicht beschreibenô, bemerkte ein Spieler nach der Zuteilung. Die Freude hielt auch bei den 35 Spielern an, die im Vorfeld des Fujitsu Siemens Giants im Taunus-Tagungszentrum unterlagen. Nach nur 23 Zügen warf Michael Wenzel das Handtuch. äWenn´s anfängt zu kriseln, muss man aufhören. Einen gewissen Respekt sollte man ihm schon entgegenbringenô, erklärte der mit der SVG Schenklengsfeld in die Landesliga aufgestiegene Teilnehmer. äGelohnt hat es sich auf jeden Fall, einmal gegen den Weltmeister zu spielenô, befand Wenzel. Die hierfür überwiesenen 618 Mark reuten ihn nicht wegen der äEinmaligkeit. Manche fahren dafür zwei Wochen nach Mallorca zum Ballermann, jeder setzt eben sein Geld anders einô, sieht er seines besser investiert. In jeder Beziehung günstiger zum Zug kam Rene Wendt. Für 416 Mark brachte er den Weltmeister auf die Palme und an den Rand einer Niederlage: äDas Turmendspiel war verlorenô, bekannte Kasparow, nachdem er kopfschüttelnd ins Remis entwischt war. ä40 Bretter zu spielen, ist schwerô, sagte der Moskauer und ergänzte aufgebracht, ävor allem wenn solch ein starker Spieler dabei ist. Der gehört nicht in ein Simultan. Bei dem habe ich ja fast eine Stunde verloren. Das ist zu viel, wenn man – so wie ich - keine schnellen Unentschieden macht.ô Im 39. Zug stellte Kasparow gar seinen Turm, der nach d2 den Verlust eingeleitet hätte, zurück nach g2, um mittels g4 um ein Remis zu kämpfen. äIch bin auch mit der Punkteteilung zufrieden, nachdem ich in der Eröffnung so schlecht stand. Ich dachte, jetzt siehst du wenigstens einmal, wie eine Stellung ordentlich verwertet wirdô, erzählte Wendt. Beeindruckt hat den Fide-Meister, der eine Elo von 2332 aufweist, vor allem Kasparows Auftreten. äWenn er am Brett steht und seine Grimassen schneidet – das ist ein Druck, das glaubt man nicht!ô Dem erlag der hessische Schach-Präsident Erich Böhme. Seine aussichtsreiche Stellung mit Mehrbauer verlor der Verbandsobere, als sich der Weltranglistenerste nach rund viereinhalb Stunden nur noch der letzten Partie widmete. Zur Ehrenrettung Kasparows muss man sagen, dass auch er Böhme in dieser Phase aufforderte, zwei sofortige Verlustzüge zurückzunehmen. Keinen Druck spürte David Baramidse. Das Toptalent von GW Waltershausen bekam bereits nach 16 Zügen die Punkteteilung von Kasparow angeboten. äIch überlegte, bis er zurückkam, fand aber keinen Gewinnweg. Deshalb akzeptierte ichô, berichtete der Elfjährige, der davon träumt, in die Fußstapfen des Russen zu treten. Keck ergänzte der U14-Jugendmeister, der bei der nationalen Meisterschaft alle neun Partien gewann und bereits eine Deutsche Wertungszahl (DWZ) von 2198 aufweist: äIch hätte bestimmt nicht verloren.ô Die drei weiteren der fünf Unentschieden ertrotzten Andreas Gypser (SK Ludwigshafen), Jens Beutel (SV Mainz-Mombach)und Hans-Walter Schmitt. So schnell hatte man den Organisator der Frankfurt Chess Classic noch nie eine Hand ergreifen sehen, als Kasparow das Remis vorschlug! Mit seiner neuesten Eröffnungswaffe, auf alles 1...c6 zu ziehen, erhielt der 48-Jährige zwar eine gedrückte Stellung im Slawisch, verteidigte sich jedoch bis ins Endspiel umsichtig. äIch habe noch nie gegen den Weltmeister verloren!ô, jubilierte Schmitt nach seiner auch für ihn persönlich gelungenen Veranstaltung. äHans-Walter ist ein gefährlicher Simultan-Gegnerô, wusste Peter Leko, der mit Freundin und Manager Carsten Hensel (Organisator von Dortmund) zeitweilig das Geschehen verfolgte. Nicht nur dem Ungarn, sondern auch Viswanathan Anand und Wesselin Topalow hatte Schmitt schon halbe Zähler abgetrotzt. Jens Beutel ist der beste deutsche Politiker. Zumindest auf den 64 Feldern. Der Mainzer Oberbürgermeister gewann schon zweimal das Schachturnier seiner Zunft in Berlin. Der frühere Oberligasspieler bestritt zwar in den vergangenen fünf Jahren nur fünf Turnierpartien (äDas wird sich jetzt mit meiner Teilnahme am Open in Wiesbaden ändern!ô), seine 2078 DWZ bringt er aber immer noch auf die Waage. Zur Erbauung seiner rund 15 Fans ärgerte Beutel den Weltmeister. Unzufrieden wegen seiner Stellung, giftete Kasparow ein paar Bretter weiter: äSie haben Ihre Partie allein zu spielen!ô Der SPD-Politiker hatte sich aber nur, nachdem der Champion weitergeeilt war, bei dem Mainzer ZDF-Vertreter Gerrard Breitbart nach dessen Ergebnis erkundigt. äDas zeigte mir, dass ich nicht schlecht standô, nahm Beutel den Vorwurf gelassen. Die Wogen glätteten sich alsbald wieder, und der 53-Jährige bot ein friedliches Ende an, was Kasparow sofort akzeptierte. äDer Spatz in der Hand war mir lieber als die Taube auf dem Dachô, bekannte der Oberbürgermeister zufrieden, da er ohne Vorbereitung auf das Spiel des Jahres auskommen musste. äMeine Frau beschloss gestern, dass wir lieber in den Biergarten gehenô, plauderte Beutel aus dem Nähkästchen. Einzig ein Spieler war ein bisschen enttäuscht: Wassili Iwantschuk hätte allzu gerne im Simultan gespielt. Der Weltranglistenachte sieht es stets als besondere Herausforderung, sich mit der absoluten Nummer eins zu messen. äWas kostet die Teilnahme? Ich habe 100 Mark dabei, reicht das?ô, ulkte der Ukrainer, nachdem zwei Akteure kurzfristig ausgefallen waren. Die 100 Mark hätten zumindest für ein Duell mit Wassili Iwantschuk gereicht . Das war ebenfalls im Internet angeboten worden. 70 bis 150 Mark erzielten die 20 Plätze beim erstmaligen Simultan-Gastspiel des 31-Jährigen. Allerdings: Hätte der sympathische, wie manchmal weltfremde Großmeister nicht dann womöglich selbst vergebens mit den anderen 39 Spielern auf den Simultanspieler Iwantschuk gewartet???