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Info-Mail Schach Nr. 70


Hallo Schachfreunde,

wie nicht anders zu erwarten, gibt es heute nur einen einzigen
Programmpunkt - die XI. Blindenschacholympiade in Zakopane.
Genau genommen fand die Olympiade nicht in Zakopane, sondern in
einem etwa 8 km entfernten Ort statt. Der Name dieses Ortes ist
aber für unsere Zungen so ziemlich unaussprechlich und auch
völlig unbekannt, deshalb wollen wir bei Zakopane bleiben.

Über die Fakten hat Euch Herbert Lang wie immer schnell und
kompetent informiert. Ich möchte aber trotzdem noch einmal das
Turnier aus der Sicht der deutschen Mannschaft Revue passieren
lassen.

In der ersten Runde hatten wir es mit Ungarn zu tun. Die Ungarn
waren nur auf Platz 20 gesetzt, was bereits die Fragwürdigkeit
der Setzliste demonstriert. Soweit mir bekannt, wurde für die
Setzliste der Eloschnitt jeder Mannschaft ermittelt. Bei den
Teams, bei denen alle vier Spieler eine Elozahl hatten ist
dieses Verfahren absolut korrekt. Aber nur wenig Mannschaften
(Polen 1, Deutschland, Spanien, Polen 2) erfüllten diese
Voraussetzungen. Dies hatte z. B. zur Folge, dass der
Titelverteidiger und Weltcupsieger Russland nur auf Platz 2
gesetzt war, obwohl die ersten drei Bretter klar stärker
eingeschätzt waren, als die ersten drei Bretter der Polen. Die
Nummer Vier der Russen hatte jedoch keine Elozahl aufzuweisen.
Gänzlich unsinnig und undurchsichtig wurde es aber im hinteren
Teil der Setzliste, wo oft nur ein oder gar kein Spieler über
eine Elozahl verfügte.

Doch zurück zur Chronologie des Turniers. Wir lösten unsere
Aufgabe in der ersten Runde glatt mit 3,5:0,5. Mit dem gleichen
Ergebnis gewannen wir in Runde 2 gegen Slowenien. Danach wurde
es dann richtig ernst. Mit Jugoslawien war ein großer Stein aus
dem Wege zu räumen - und es gelang. 3:1 gegen den für lange
Jahre härtesten Konkurrenten der Russen war ein Ergebnis nach
Maß. Die Jugoslawen scheinen langsam doch ihrem Alter Tribut
zollen zu müssen. Milenko Cabarkapa war bereits bei der ersten
Blindenschacholympiade 1961 dabei und hat alle 11 Olympiaden
mitgespielt. Für diese grandiose Leistung wurde er in Zakopane
auch geehrt. Die Jugoslawen verschwanden nach dieser Niederlage
erst einmal im Mittelfeld, kamen aber nach dem Ruhetag noch
einmal stark auf.

Mit 10 Punkten nach drei Runden fanden wir uns unerwartet auf
Rang 2 wieder. Dies hatte aber zur Folge, dass wir gegen den
Abonnementsieger Russland zu spielen hatten. Leider konnten wir
unseren Erfolg beim Weltcup in Logrono nicht wiederholen, wo
uns zum ersten Mal überhaupt ein 2:2 gelungen war. Diesmal
verloren wir mit 1:3, einem Ergebnis mit dem wir allerdings
auch gut leben konnten.

Wie es eben so ist, wenn man sich ganz vorne in der Tabelle
aufhält, bekommt man nur noch starke Gegner und so wartete in
Runde 5 die Ukraine auf uns. Die Ukrainer verzichteten in
dieser Partie auf den Einsatz von Sergej Wassin, der zuvor zwei
Partien hintereinander verloren hatte - sicherlich ein Vorteil
für uns. Dieser Vorteil wurde dann auch genutzt und wir konnten
mit 2,5:1,5 die Oberhand behalten. Auf den Medaillenrängen ging
es dann in den Ruhetag. Diese Ruhetage scheinen der deutschen
Mannschaft nicht zu bekommen. War das 2:2 gegen Rumänien in
Runde 6 noch einigermaßen im Rahmen der Erwartungen (man wird
ja anspruchsvoll!), so erlebten wir - wieder einmal - eine
rabenschwarze Runde 7. Gegen Polen gab es eine schmerzliche 0:4
Klatsche. Diese Pleite holte uns unsanft auf den Boden zurück.
Unser Team ließ sich aber nicht entmutigen und holte den
verlorenen Boden in Runde 8 gegen Großbritannien mit einem
klaren 3,5:0,5 Sieg zurück. Ein schöner Erfolg gegen die
besonders an den ersten beiden Brettern gut besetzten
Engländer. Rang 6 vor der letzten Runde war der Lohn. Wir
hatten nun zwar keine Chance auf eine Medaille mehr, da aber
die vor uns liegenden Teams aus Jugoslawien gegen Polen und
Spanien gegen Russland anzutreten hatten war die Chance auf
Platz 4 noch vorhanden. Nachdem diese beiden Begegnungen dann
auch sehr schnell 2:2 endeten war der Weg frei auf Platz 4 vor
zu stürmen und dies geschah dann auch eindrucksvoll. Die
Tschechische Republik wurde glatt mit 3,5:0,5 besiegt.

Platz 4 ist ein Resultat, dass wir im Vorfeld des Turnier kaum
zu hoffen gewagt hatten. Bei realistischer Beurteilung muss man
aber feststellen, dass dieser vierte Platz das höchste der
Gefühle war. Nach vorne wird die Luft dann doch sehr sehr dünn.

Die Goldmedaille sicherte sich erneut Russland, allerdings nur
mit einem Pünktchen Vorsprung vor den beiden punktgleichen
Mannschaften von Polen und der Ukraine. Kurios übrigens, dass
die Russen zwei Kämpfe verloren (Polen und Jugoslawien) und
dazu noch einmal remisierten. Der Silbermedaillengewinner
verlor keinen Kampf und spielte nur zweimal Remis. Da aber nach
Brettpunkten gewertet wurde hatten dennoch die Russen die Nase
vorn. Man kann sicher über die Vor- und Nachteile der Brett-
oder Matchpunktwertung diskutieren, wenn die Brettpunktwertung
aber derart groteske Ergebnisse ergibt, scheint Handlungsbedarf
zu bestehen.

Übrigens hätte die deutsche Mannschaft bei Anwendung der
matchpunktwertung die Bronzemedaille errungen. Dennoch mussten
wir nicht ohne Medaille nach Hause fahren. Manfred Müller
erspielte an Brett 3 stolze 7 Punkte aus 9 Partien und sicherte
sich dadurch die Bronzemedaille an Brett 3 nur ganz knapp
hinter Exweltmeister Krylov (Russland) und Rychard Suder
(Polen), die ebenfalls auf 7 Punkte kamen.

Aus unserer Sicht also ein rundum gelungener Auftritt bei
dieser Olympiade. Es wird nun nicht ganz leicht sein, dieses
Niveau beim Weltcup 2001 in Gelsenkirchen zu halten.

Leider waren diesmal einige "Kernländer" der IBCA nicht
vertreten. So fehlten u. a. die Schweiz, Frankreich, Holland
und Irland. Auch aus Südamerika hätten wir das eine oder andere
Land mehr erwartet. So waren wir sehr gespannt, wie sich Kuba
präsentieren würde, nachdem zwei Kubaner in Benasque in der
Spitzengruppe vertreten waren. Aber leider waren die Kubaner zu
Hause geblieben. Kurios auch, dass Indien erst nach der ersten
Runde anreiste und dann auch nur mit drei Spielern.


   PLACE COUNTRY                    SCORE        MINOR       BUCH.

     1   RUSSIA                      25.5       13.0-5.0     191.0
     2   POLAND 1                    24.5       16.0-2.0     190.0
     3   UKRAINE                     24.5       12.0-6.0     178.5
     4   GERMANY                     22.5       13.0-5.0     191.5
     5   YUGOSLAVIA                  22         11.0-7.0     176.5
     6   SPAIN                       21.5       12.0-6.0     182.0
     7   ROMANIA                     20         13.0-5.0     184.5
     8   SLOVENIA                    19.5       10.0-8.0     161.5
     9   POLAND 2                    19.5       9.0-9.0      171.5
    10   CROATIA                     19         12.0-6.0     168.5
    11   LITHUANIA                   19         10.0-8.0     168.5
    12   HUNGARY                     19         9.0-9.0      165.5
    13   GREAT BRITAIN               18.5       10.0-8.0     181.0
    14   MACEDONIA - FYROM           18         9.0-9.0      171.0
    15   CZECH REPUBLIC              18         8.0-10.0     173.0
    16   BELGIUM                     17.5       7.0-11.0     174.0
    17   ISRAEL                      17         10.0-8.0     158.0
    18   AUSTRIA                     17         8.0-10.0     159.5
    19   SWEDEN                      17         8.0-10.0     143.5
    20   DENMARK                     17         7.0-11.0     170.5
    21   FINLAND                     16.5       9.0-9.0      143.5
    22   SLOVAKIA                    16.5       6.0-12.0     138.5
    23   ESTONIA                     15.5       9.0-9.0      159.0
    24   GREECE                      15.5       6.0-12.0     142.5
    25   INDIA                       14.5       9.0-9.0      132.0
    26   ITALY                       14.5       6.0-12.0     140.0
    27   NORWAY                      14         8.0-10.0     137.0
    28   PERU                        13.5       4.0-14.0     134.0
    29   REPUBLIC OF SOUTH AFRICA    12.5       4.0-14.0     133.5
    30   BRASIL                      10.5       2.0-16.0     140.0

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