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Info-Mail Schach Nr. 98



Hallo Schachfreunde,
Anton Lindenmair (Deutschland) berichtet von einer Blindenschachveranstaltung
in Großbritannien, Jim Henderson (Großbritannien) gratuliert dem jetzt in
Deutschland lebenden Mark Taimanov zum Geburtstag und den Abschluss dieser 
Info-Mail Schach bilden einige Fundsachen aus dem Internet (www.chessgate.de) 
zum Turnier in Linares (23.02.-06.03.2001).
Heute am "Rosenmontag" erholen sich die sechs Teilnehmer von den Strapazen
der ersten drei Runden - alle neun Partien endeten REMIS!! - rekordverdächtig -
die Meinung von Artur Jussupow dazu ganz am Ende -
viel Spaß beim Lesen wünscht
Herbert Lang

BLINDENSCHACH in Großbritannien
Vom 17. - 19. November 2000 veranstaltete die Braille Chess Association
(BCA), das ist die Blindenschachorganisation Großbritanniens, ihr 
traditionelles Herbstturnier diesmal in Chesterfield.
Im Open siegte Chris Ross aus Sheffield vor dem punktgleichen Stephen
Burnell aus Liamington Spa. Diese beiden Spieler beendeten das Turnier
mit 4,0 Punkten aus den 5 Runden Schweizer System. Von Platz 3 - 6
folgten ebenfalls punktgleich mit 3,5 Punkten P. Gibbs, G. Lilley,
C. Chambers und S. Loftus (Irland).
Im gleichzeitig ausgetragenen sog. Minor Turnier siegte M. Kirkham
(Sheffield) mit der vollen Punktzahl 5,0 vor G. Patching.

MARK TAIMANOV -zum 75. Geburtstag- von John Henderson (Großbritannien)
Es ist schwer genug, im Schach, in der Musik oder in der Mathematik
Außergewöhnliches zu leisten. Der einstige WM-Kandidat und Seniorenweltmeister 
Mark Taimanov war aber sogar auf zwei dieser Felder ungewöhnlich begabt.
Für die, denen es gerade nicht gegenwärtig ist: Taimanov, der vor kurzem
seinen 75.Geburtstag (*7.2.1926) feierte, kann nicht nur auf eine glänzende
Karriere am Schachbrett zurück blicken, er war außerdem ein begnadeter
Pianist, der zusammen mit seiner ersten Frau, Lyobov Bruk, internationale
Erfolge in den Konzerthallen feierte.
Letztes Jahr brachte Philips die Musikserie "Große Pianisten des
20.Jahrhunderts"  auf den Markt. Der Band 15 (456 736-2), ein Doppelalbum,
ist dem Schaffen des Piano Duetts Bruk (sie starb 1996) und Taimanov
gewidmet und enthält Aufnahmen vom Höhepunkt ihrer Karriere aus den Jahren
1959 bis 1968 mit Werken von Rachmaninov, Mozart, Chopin, Arensky, Poelenc
und Milhaud.
Leider zerbrach die Partnerschaft zwischen den beiden, beruflich und privat,
Anfang der Siebziger, kurz vor ihrem bevorstehenden Debut im Westen. Wie es
heißt, war dies die Folge des enormen Drucks, dem Taimanov angesichts seines
Wettkampfes gegen Fischer im Kandidatenviertelfinale in Vancouver (Kanada)
ausgesetzt war.
Als Taimanov von dem wütenden Fischer, der dann 1972 schließlich den Sowjets
die Schachkrone entriss, mit 6-0 verprügelt worden war, fiel er bei den
Sowjetoberen schnell in Ungnade. "Mindestens habe ich meine Musik", sagte er
sich damals, als er in der Folge das Privileg verlor, außerhalb der UdSSR
spielen zu dürfen.

LINARES 2001: 
Alles andere als ein Kasparow-Sieg wäre Riesensensation!
Wladimir Kramnik und Viswanathan Anand werden aus unterschiedlichen Gründen
in Linares nicht an den Start gehen. Dennoch zählt der Wettkampf im Herzen
Andalusiens neben Wijk aan Zee (Holland) und Dortmund (Deutschland) zu den
absoluten Höhepunkten der diesjährigen Turnierserie. Mit einem ELO-Durchschnitt 
von 2720 präsentieren die spanischen Veranstalter eine ganz starke Kategorie 19. 
Sechs Spieler treten an, um den heißbegehrten Pokal mit nach Hause zu nehmen. 
Für Kramnik und Anand bekamen Judit Polgar und der erst 17-jährige Alexander 
Grischuk eine Chance, was vielleicht sogar den besonderen Reiz dieses 
Wettkampfes ausmachen wird. 
Peter Leko (21), der schon zweimal in Linares am Start war und die spezielle
Atmosphäre dort kennt: äLinares zu gewinnen, besitzt natürlich einen ganz
hohen Stellenwert. Das gelingt nur ganz wenigen Spielern in ihrer
Schachkarriere. Vergleichbar sind da momentan nur noch Dortmund und Wijk.
Man hat es mit einem Klassefeld zu tun und der Druck, der auf Dir lastet,
ist ungeheuer groß.ô Mit Garri Kasparow und Anatoli Karpow sind zwei
Ex-Weltmeister und lebende Schachlegenden im Feld, die gewohnt sind mit
diesem Druck umzugehen und mehrfach in Linares triumphierten.
Topfavorit ist natürlich Kasparow. Er beherrschte im Januar beim
Superturnier in Wijk die komplette Elite nach Belieben und ist immer noch
die unumstrittene Nummer eins, wie nicht nur ein Blick auf die Weltrangliste
leicht beweist. Was ihm jedoch fehlt ist der Titel des Weltmeisters, den er
nach 15-jähriger Vorherrschaft an Wladimir Kramnik abtreten musste.
Ansonsten ist seine Bilanz der vergangenen drei Jahre makellos. Für einen
erneuten Titelkampf will er sich ins Gespräch bringen. Das geht natürlich nur 
über entsprechende sportliche Erfolge. Viele Gelegenheiten hat "Gazza" in 
diesem Jahr dazu nicht mehr und alte Meriten zählen da bekanntlich wenig. 
Deshalb muss Kasparow in Linares 2001 seinen Anspruch mit einem klaren Erfolg 
untermauern

1. Runde - Bericht von GM Amador Rodriguez:
Alles Remis nach hartem Kampf. Karpow und Leko lassen den Sieg aus!
Die erste Runde des Superturniers in Linares war alles andere als enttäuschend. 
Es gab zwar keine Siege zu bestaunen, dafür aber harte Kampfpartien. Zur ersten 
Zeitkontrolle war beispielsweise noch keine der Partien entschieden.
Einige Züge nach der Zeitkontrolle war es der junge Grischuk, der ein 
Dauerschach in seiner Partie gegen Judit Polgar forcierte. Das war schon einige 
Züge im Bereich des Möglichen, aber Grischuk versuchte es noch weiter, bis er 
schließlich um den Remisschluß nicht herumkam. Judit hatte die Partie sehr gut 
gespielt, den Druck Grischuks neutralisiert und eine vorteilhafte Struktur 
erreicht. Grischuk besann sich auf sein taktisches Potential, opferte eine Figur 
und suchte Gegenspiel. Im Nachhinein zeigte sich, dass Judit das Opfer besser 
nicht hätte zulassen sollen.
Ex-Weltmeister Anatoli Karpow war kurz davor, seine Erstrundenpartie zu
gewinnen. An einigen Stellen war der Vorteil so erdrückend, dass man annahm,
Schirow würde die Partie sofort aufgeben. Es war natürlich eine Caro-Kann
Verteidigung, Karpows bevorzugte Waffe gegen 1.e4. In der Eröffnung war es
Schirow der lange überlegte. Danach jedoch war es Karpow der sein Zeitkonto 
arg strapazierte bis er nur noch 2 Minuten für 18 Züge hatte. Das war wohl auch 
der Grund, warum er den vollen Punkt nicht einfahren konnte.
In der dritten Partie bereitete Peter Leko Gari Kasparow große Schwierigkeiten. 
Peter fürchtete die stets bis aufs i-Tüpfelchen perfekte Eröffnungsvorbereitung 
von Kasparow nicht und wählte mit 6.Lg5 die schärfste Variante gegen den 
Najdorfsizilianer. Der junge Ungar zwang Kasparow, schon in er Eröffnungsphase 
lange nachzudenken und so hatte er nach 20 Zügen eine Stunde mehr auf der Uhr. 
Im 25.Zug blieben Kasparow gar nur 3 Minuten bei 36 für Leko. Und es war an 
dieser Stelle, wo Peter vom rechten Weg abkam. Es folgte eine Reihe von 
Damenzügen, wonach Kasparow nicht lange überlegen musste und die Zeitkontrolle 
schaffte. Das Endpiel war ein wenig peinlich. Leko patzte und geriet von einer 
Stellung mit einem Mehrbauern in eine Position, die er sehr genau verteidigen 
musste, um noch remisieren zu können.
Schon ein wenig kurios, dass Kasparow bei einer Niederlage Letzter gewesen
wäre. In der zweiten Runde spielt er gegen Judit Polgar, gegen die er ein
Traumscore hat. Die beiden anderen Partien sind Leko-Schirow und 
Karpow-Grischuk.

2.Runde - Bericht von GM Amador Rodriguez
Erneut drei Remis, diesmal aber ohne großen Kampf!
Es gibt heute nicht viel, was ich aus Linares erzählen kann. Gestern drei Remis 
nach großem Kampf. Heute drei Remis, quasi ohne Kampf.
Als ich in der ersten Reihe des Zuschauersaals direkt vor der Partie Leko -
Schirow platznahm, erwartete ich einen heißen Kampf in irgendeiner scharfen 
sizilianischen Variante. Aber es kam ganz anders, es entstand eine Partie ohne 
größere Bedeutung. Schirow war wohl von Lekos starkem Najdorfvortrag am Vortag 
gegen Kasparow so beeindruckt, dass er lieber Französisch spielte. Mit dieser 
Eröffnung hatte er Peter zuletzt in Frankfurt 2000 geschlagen. Trotz seines 
Erfolges wählte er diesmal eine andere Variante, die Leko aber natürlich gut 
bekannt war. Er hatte hier einen schönen Erfolg gegen Akopian 1996 vorzuweisen. 
Aber auch Leko wich von seiner Vorgängerpartie ab. Frühzeitige Vereinfachungen 
führten zu nichts. Im Presseraum kam Schirow danach zu mir und meinte lächelnd 
ôOh, Amador - was für eine Variante hast Du denn da heute vorbereitetö 
(Anmerkung der Redaktion: Amador Rodriguez ist der Sekundant von Peter Leko). 
Ich konnte ihm nur im scherzhaften Ton erwidern ôwie konnten wir denn ahnen, 
dass Du auf Deinen Sizilianer verzichtest und mit etwas so Lauem kommstö.
Die Partie Karpow-Grischuk wird auch nicht in die Geschichtsbücher eingehen.
Nach 19 Zügen war es vorbei, obwohl Karpow eine Unmenge Zeit verbrauchte.
Dabei war die Eröffnung nichts Ungewöhnliches. Grischuk hatte das schon einmal 
gegen Lastin auf dem Brett. Kurios dabei ist, dass die Partien im gleichen Zug 
Remis gegeben wurden, die Stellung in den Partien ab dem 9.Zug durch 
unterschiedliche Zugfolgen erreicht wurde.
Kasparow konnte in seiner Partie gegen Judit Polgar auch nichts Großes auf
die Beine stellen. Er spielte mit Weiß gegen seinen ôeigenenö Najdorfsizilianer. 
Vielleicht erinnerte er sich an die Partie gegen Peter Leko aus dem Vorjahr, 
in der er ganz schön zu leiden hatte, und entschloss sich, das gleiche Rezept 
zu verwenden. Judit zeigte sich bestens vorbereitet und hatte keine Probleme, 
das Spiel ihres mächtigen Rivalen zu neutralisieren.
Am Sonntag wird die dritte Runde gespielt und die mathematische
Wahrscheinlichkeit, dass wieder alles remis wird sinkt. Nicht zuletzt kommt
dazu, dass dann die Partie Schirow-Kasparow auf dem Programm steht, die von
den spanischen Fans sehnsüchtig erwartet wird. Schirow hat es - bei vielen
Niederlagen - noch nie geschafft, Kasparow zu besiegen. Das könnte also sein
Tag werden und das ist es, was zumindest seine Fans in diesem Land erhoffen.

Kommentar von Artur Jussupow:
Manchmal muss man sich schützend vor die Supergrossmeister stellen. Bestimmt 
wollten Sie nicht so eine uninteressante Runde spielen. Vielleicht fuehlt sich 
unser Schachfreund und Motivationskuenstler Senior Rentero sogar gezwungen, ein 
Paar Mahnungen zu schicken, um die Turnierteilnehmer zu motivieren. Wenn es so 
weiter geht, kann der Turniersieg in nur einer Erfolgspartie entschieden werden.
Aber auch die Supergrossmeister sind irgendwo nur Menschen. Und wie alle
Menschen haben auch Sie das Recht einmal eine kurzes Remis einzustreuen.
Schlecht wird es nur, wenn alle Spieler das in einer Runde machen. Karpow konnte 
mit Weiss nicht viel gegen den Jungstar Grischuk zeigen.Grischuk spielte eine 
solide Variante der Slawischen Verteidigung - Karpov - Grischuk  ½-½
Peter Leko versuchte gegen Schirow ein Endspiel mit einer besseren
Bauernstruktur zu spielen. Schirow war nicht besonders beeindruckt, weil er
in seinem aktiven Läufer eine ausreichende Kompensation sah. Im richtigen
Moment schickte er seinen potentiell schwachen h-Bauer nach vorn, um ihn zu
abtauschen. Nach dieser geschickten Aktion war die Stellung so erschoepft
wie die Deutsche Boerse. Leko - Shirov  ½-½
Kasparow musste mit Weiss gegen seine eigenes Lieblings-Schwarzsystem - die
Najdorf Variante - kämpfen. Diese Chamäleontaktik von Judit Polgar war sehr
erfolgreich. Kasparow wirkte nicht besonders inspiriert. Zwanzig Zuege
folgten die Gegner der Partie Bologan - Xu Jun, China 2000. Dann waehlte
Kasparow eine andere Fortsetzung, die eigentlich nicht besser aussah. Seine
Dame wanderte auf a7, wo sie fast gefangen war. Um die staerkste Figur
zurueck ins Spiel zu bringen, war Kasparow gezwungen, seine Rochadestellung
mit dem Zug b2-b4 zu schwaechen. Polgar reagierte sehr energisch, opferte
den a-Bauern ... und machte ein Remisangebot, das sogar Kasparow nicht
abzulehnen wagte. Ein moralischer Sieg fuer Polgar, der aber nur mit einem
halben  Punkt in der Tabelle belohnt wird. Kasparov - Polgar  ½-½
Fuer die Zuschauer gibt es einen Trost: es kann nur besser werden.
Artur Jussupow
Aber auch in der dritten Runde wurde es nicht besser!!(hl)

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