Hallo Schachfreunde, nach längerer Pause soll es wieder einmal Post aus Leimen geben; dabei hoffe ich, die Folgen des technischen Totalausfalls überwunden zu haben. Toni ist/war in Urlaub (ohne Schach!) und ich wollte eigentlich nur etwas Lesestoff versenden, der im Zusammenhang mit den Mainzer "Chess Classics" angefallen ist. Überraschenderweise kann ich heute aber zusätzliche Informationen von einem aktuellen Blindenschachturnier anbieten. Überraschend - wenn man die Situation im Jugendbereich des DBSB kennt - sind gleich zwei deutsche Spieler bei der Jugendweltmeisterschaft der IBCA dabei - Stefan Hawranke - 16 Jahre - Leipzig und Jan Merker - 14 Jahre - Chemnitz. Vom 04. bis 11. Juli sind in der Nähe von Alicante (Spanien) 21 Teilnehmer am Start und spielen 7 Runden - Schweizer System. Die deutschen Jungs starteten mit einem Sieg und haben nach drei Runden jeweils erfreuliche zwei Punkte. Eine komplette Spielerliste habe ich zwar nicht (Fax und eMail unmöglich), aber es gibt zeitnah telefonische Ergebnismeldungen von Ludwig Beutelhoff, der zusammen mit Jugendtrainer Manfred Müller in Spanien dabei ist. An der Spitze mit der vollen Punktzahl der Favorit aus Belgien Piet Devos und Tomas Figueroa (Chile). Danach folgt in der Tabelle ein junges Mädchen aus Polen (13 Jahre), die als sehr talentiert gilt und auch beim Open in Gelsenkirchen mitspielen wird. Als Besonderheit hat mir Ludwig mitgeteilt, dass es in der dritten Runde das erste Remis des Turniers gab. Viel Spaß beim Lesen der Mainzer Geschichten und einen schönen Sommer mit angenehmen Temperaturen wünscht herbert lang DUELL DER WELTMEISTER - DAS SCHNELLSCHACHMATCH KRAMNIK-ANAND IM ÜBERBLICK: (von Artur Jussupow und Stefan Kindermann) Das vom 26.Juni bis 1.Juli 2001 in Mainz ausgetragene Schnellschachmatch (25 Minuten pro Spieler und Partie, sowie 10 Sekunden Zeitzugabe pro Zug) zwischen Wladimir Kramnik und Viswanathan Anand hatte besondere Brisanz und stieß auf ganz besonderes Medieninteresse: Trafen hier doch zwei frischgebackene Weltmeister verschiedener Organisationen aufeinander. Kramnik hatte im vergangenen Jahr in London mit Garri Kasparow den vielleicht größten Spieler aller Zeiten und die Nr.1 der Weltrangliste im Zweikampf bezwungen und war von der Firma Braingames, die den Kampf ausgerichtet hatte, somit zum Weltmeister gekürt worden. Viswanathan Anand dagegen triumphierte im Finale der K.o.-Weltmeisterschaft des Weltschachbundes FIDE in Teheran gegen Alexei Schirow und kann so ebenfalls mit gutem Grund den Weltmeistertitel für sich in Anspruch nehmen. Beide Spieler hatten wohl den enormen Druck von Medien und Öffentlichkeit unterschätzt, nach eigener Aussage kamen sie nach Mainz, um "etwas Schnellschach zu spielen", und fanden sich plötzlich in einem WM-Kampf wieder! Die dadurch erzeugte Spannung sorgte für unterhaltsame Partien, der den Spielern deutlich anzumerkende nervliche Druck hatte jedoch eine Reihe ungewöhnlich grober Fehler zur Folge. Besonders Kramnik vergab einige gute Gewinnchancen, während Anand im Eröffnungsbereich seltsame "Fingerfehler" unterliefen. Anand selbst klagte auch über Konzentrationsprobleme, nur in wirklich kritischer Lage war er voll da, ihm gelangen einige bewundernswerte Verteidigungsleistungen. Das 5:5, wobei jedem der Kontrahenten lediglich ein Sieg glückte, spiegelt wohl das Kräfteverhältnis in diesem Match recht gut wieder, im in Form von 5-Minuten-Blitzpartien ausgetragenen Tiebreak war Anand jedoch der klar (nerven)stärkere Mann! Damit geht der inoffizielle Weltmeistertitel im Schnellschach nach Indien! UNBEZWINGBARER PROFESSOR Quiz-Millionär setzte Weltmeister schachmatt Eckhard Freise, erster Millionengewinner bei Jauchs Millionär-Show, präsentiert sich auch beim Schach als neunmalkluger Zocker. Bei einem Simultanturnier musste sich sogar Weltmeister Anand dem Wuppertaler Geschichtsprofessor beugen. Superhirn Eckhard Freise scheut auch beim Schach kein Risiko 47 Züge lang kämpfte Eckhard Freise zäh, opferte zwei Bauern und bezwang schließlich Viswanathan Anand in einem spannenden Turmendspiel. Der Inder war bei den Mainzer "Chess Classics" gleichzeitig gegen 40 Hobbyspieler angetreten und attestierte seinem Gegner einen "verdienten Sieg". "Das ist ungefähr so, als hätte ich im Tennis Andre Agassi unter wettbewerbsmäßigen Bedingungen 6:3 geschlagen", frohlockte Freise nach seinem spektakulären Sieg. Sonst schaffen Amateure beim Simultanschach allenfalls mal ein Remis gegen Weltmeister, aber fast nie einen Triumph. Mit 20 Jahren war Freise immerhin einmal Schach-Westfalenmeister und spielt heute beim SK Münster. Schachfreunde beschreiben ihn als äußerst risikofreudig; Ruhe gebe Freise erst, wenn nur noch die beiden Könige auf dem Brett sind. Inzwischen hat er reichlich Einladungen zu Promi-Schachturnieren, im November zum Beispiel in Berlin gemeinsam mit Richard von Weizsäcker und Otto Schily. Als erster hatte Eckhard Freise bei der RTL-Show "Wer wird Millionär?" - ausgerechnet an seinem 56. Geburtstag - richtig abgeräumt und alle Fragen richtig beantwortet. Für das Quiz wie für Schach gilt offenbar: "Nervenstärke ist für den Erfolg entscheidend." Der Fernseh-Ruhm hält sich hartnäckig Neben dreißig Jahren Lehrerfahrung mit Studenten habe ihm bei der Jauch-Sendung auch das strategische Denken als Turnierschachspieler geholfen, sagte der Wissenschaftler in einem Interview. "Zweikampf, beide auf gleicher Augenhöhe. An die zehn Millionen Zuschauer darf man dabei nicht denken, auch nicht ans Geld", so Freise, "es geht um das Spiel. Diese Vorstellung entlastet." Seit der Jauch-Show kommt der Professor für mittelalterliche Geschichte kaum zur Ruhe, der Ruhm hält sich hartnäckig. "Es geht jedoch auf anderer Ebene weiter: Nach der Million fragt kein Mensch mehr. Dafür gelte ich inzwischen als Bildungs- und Schachexperte. Insofern bin ich wieder etwas seriöser geworden." Auch auf Kongressen sei er inzwischen sehr gefragt. "Das hängt mit meiner plötzlichen Popularität zusammen", meint Freise, "außerdem sind offenbar Profs gesucht, die sich einigermaßen ausdrücken können." Wie lange seine Familie Freises Aktionismus erträgt, ist unklar: "Ich denke, die hat meine medialen Faxen langsam dick."