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Info-Mail Schach Nr. 150


Hallo Schachfreunde,

wieder liegt ein Schachwochenende hinter uns. In Bad Rappenau fanden
Lehrgänge des Herren- und Damenkaders statt und am Samstag trat der DBSB
im Mannschaftspokal gegen Stuttgart SF an. Von diesem Pokalkampf folgt
ein kurzer Bericht.

Ebenfalls am Samstag fand in Nürnberg ein Schnellturnier statt, von dem
mir allerdings noch kein Ergebnis vorliegt. Ich werde versuchen, Euch
das Resultat in der nächsten Nummer zu präsentieren.

In Armenien ist am Wochenende die Mannschafts-WM der FIDE zu Ende gegangen.
Am Schluss dieser Mail findet Ihr das Endergebnis und ein ausführliches
WM-Tagebuch der runden 6 - 9.

Das soll's für heute gewesen sein. In der nächsten Zeit stehen jedoch
einige Ereignisse an, von denen es sich zu berichten lohnt. Wer schon
einmal sehen will, was auf ihn zukommt, der kann dies auf meiner Homepage
unter

http://www.schachkomet.de

tun. Dort findet sich neben vielen anderen Infos zum Thema Blindenschach
auch ein Terminkalender, der alle wichtigen Termine enthält.

Bis zum nächsten Mal verabschiedet sich
Toni aus Augsburg


Wie in jedem Jahr trat auch diesmal eine Auswahl des Deutschen Blinden-
und Sehbehindertenschachbunds (DBSB) in der ersten Hauptrunde des
DSB-Mannschaftspokals an. Beim Griff in die Lostrommel hatten wir diesmal
etwas Pech - oder sollte man sagen Glück. Jedenfalls bekamen wir es mit
den Stuttgarter Schachfreunden mit einer ausgewachsenen Bundesligamannschaft
zu tun. Da schien eine Wiederholung des Erreichens der nächsten Runde
wie im vergangenen Jahr gegen den Thüringen-Vertreter Walthershausen
ziemlich aussichtslos.

Ein wenig Hoffnung keimte auf, als unsere Gegner nur mit drei Spielern
(es wird an vier Brettern gespielt) antraten. So hatte Dieter Bischoff
an Brett 2 gegen Karsten Volke schon den kampflosen Punkt zur 1:0 Führung
der DBSB-Auswahl eingeheimst.

An den anderen drei Brettern sahen wir uns dann allerdings mit Gegnern
konfrontiert, die 300 - 400 Elo-Punkte mehr aufwiesen als unsere Spieler.
Von den vier nominierten Spielern der Stuttgarter haben Drei den Titel
eines "Internationalen Meisters", ausgerechnet der Spieler mit der höchsten
Elo-Zahl Buhmann ist (noch) ohne Titel.

Ich selbst hatte es an Brett 1 mit den schwarzen Steinen mit Rainer Buhmann
zu tun. In einer königsindischen Partie verurteilte mich mein Gegner von
Anfang an zur Passivität und ich konnte nicht zu einem effektiven Gegenspiel
finden. In der Zeitnotphase verlor ich dann ganz den Faden und so musste
ich nach 4 Stunden kapitulieren.

An Brett 4 hatte es Gert Schulz ebenfalls mit den schwarzen Steinen spielend
mit Matthias Duppel zu tun. In einer skandinavischen Eröffnung konnte
der Stuttgarter jedoch keinen Vorteil erzielen. Die Partie überschritt
wohl nie die Remisbreite und so einigte man sich nach fast 5 Stunden auf
Remis, als auf jeder Seite nur noch ein Turm und zwei Bauern auf dem Brett
waren.

Die Entscheidung fiel an Brett 3. Jürgen Pohlers spielte hier gegen
Valeriy Bronznik. Wie so oft bei Jürgen kam es zu einer eigenwilligen
Eröffnungsbehandlung, die diesmal aber durch den Gegner eingeleitet wurde.
Jürgen suchte seine Chance durch ein Bauernopfer für Angriff - und er erhielt
sie. Zwei Mal hatte er die Möglichkeit, seinem Gegner den entscheidenden
Schlag zu versetzen, aber in bereits knapp werdender Bedenkzeit fand
Jürgen leider nicht die richtigen Züge. Die Partie mündete dann in ein
Turmendspiel und Jürgens Gegner bot Remis an. Da aber zu diesem Zeitpunkt
klar war, dass uns nur ein voller Punkt zum Sieg verhelfen würde, spielte
Jürgen weiter. In der zweiten Zeitnot verlor Jürgen dann doch etwas den
Faden und die Routine des für Stuttgart spielenden Ukrainers setzte sich
durch, so dass Jürgen nach mehr als 5 Stunden die Waffen strecken musste.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass diesmal nicht viel gefehlt hätte und
unser Team häte für eine Sensation gesorgt.

DBSB               2160 - Stuttgarter SF           2456 1,5:2,5
Lindenmair Anton   2127 -    Buhmann Rainer        2505 0  :1
Bischoff Dieter    2313 - IM Volke Karsten         2467 1  :0   kampflos
Pohlers Jürgen     2133 - IM Bronznik Valeriy      2407 0  :1
Schulz Gert        2067 - IM Duppel Matthias       2446 0,5:0,5


Am Samstag ging die Mannschafts-WM der FIDE in Armenien zu Ende. Die
Ergebnisse der ersten 4 Runden haben wir in Info-Mail Schach Nr. 149
schon gehabt. Hier nun der Endstand und die Rundenergebnisse der Runden
5 - 9. Dazu ab Runde 6 ein WM-Tagebuch von Dirk Poldauf (Zeitschrift Schach).

5th World Chess Team Championship

ENDSTAND
1. Ukraine       21,5
2. Russia        21,0
3. Armenia       20,0
4. Germany       18,5
5. Hungary       16,5
6. Uzbekistan    15,5
7. Cuba          14,5
8. FYROM          9,5
9. Iran           7,0

October 16, 2001
Round 5
GERMANY    - ARMENIA    3  :1
CUBA       - FYROM      3  :1
UZBEKISTAN - IRAN       3,5:0,5
UKRAINE    - HUNGARY    2,5:1,5

October 17, 2001
Round 6
IRAN       - UKRAINE    0,5:3,5
FYROM      - UZBEKISTAN 2,5:1,5
ARMENIA    - CUBA       3  :1
RUSSIA     - GERMANY    3,5:0,5

"Wir haben heute Pech gehabt", lauteten Alexander Grafs Worte, als er mich
begrüsste. Auch Artur Jussupow wirkte nach seiner Niederlage äusserst ernst.
Beide waren mit den schwarzen Steinen im Kampf gegen Russland gegen Swidler
und Grischuk schnell in schlechte Stellungen geraten, aus denen sich Artur
unter Bauernopfer und Alexander mit dem Fressen von Bauern zu retten
versuchten. Vergeblich.
Einen einsamen Thomas Luther traf ich in den Katakomben des Nationaltheaters
von Jerewan, dem Schauplatz der 5. Mannschafts-Weltmeisterschaft. Er hatte
gegen Rublewski alle Figuren in den Angriff gebracht und war auch nach der
Partie noch sicher, irgendwo auf Gewinn gestanden zu haben. Vielleicht, so
meinte der Erfurter, hätte er nicht Turm f1 spielen und den Bauer halten
sollen.
Einzig Christopher Lutz konnte in der letzten laufenden Partie des Tages
einen halben Zähler für Deutschland retten. Und auch den wollten ihm die
Russen in der Analyse noch streitig machen.
Immerhin haben die Deutschen, die das Turnier mit vier Spielern durchspielen
müssen, morgen einen Ruhetag. Zum Wunden lecken. Gerade sind sie gemeinsam
ins Hotel abmarschiert, während mich die Armenier Akopjan und Minasjan
(heute 3:1 gegen Kuba) in ein unweit des Spielortes gelegenes Internetcafe
geleiteten, wo ich bei armenischer und russischer Schlagermusk einige
Eindrücke des Tages zusammenfasse.
Es begann lustig, als mich der Taxifahrer partout nicht in die Oper ("Dort
gibt es Ballett und kein Schach!"), sondern in den Schachpalast ("Hier haben
Petrosjan und alle gespielt!") fahren wollte und auch fuhr. Als ich mich
dann doch noch durchsetzen konnte, begegnete mir auf der Treppe der Oper
Hauptschiedrichter Geeurt Gijssen, der mir, als ich ihn um eine Information
bat, zurief: "Warten Sie hier auf mich, ich muss wie jeden Tag um das Wasser
streiten!" Es gibt am Spielort Probleme mit der Wasserzufuhr. Auf den
Toiletten stehen große Flaschen mit Mineralwasser. Bei der neuen
Bedenkzeitregelung der Fide (90 Minuten für die Partie plus Bonus von 30
Sekunden pro Zug) können die Spieler sowieso kaum noch das Brett verlassen,
da sie sich mit zunehmender Partiedauer in immer größerer Zeitnot befinden.
Ein trauriger Tag für Schachdeutschland. Gestern noch waren unsere Jungs
gegen einen bärenstarken Gastgeber mit 3-1 erfolgreich gewesen. Heute das
Debakel, das eine Medaille vorerst in weite Ferne rücken lässt. Habe ich das
Unglück gebracht? Jedenfalls bedauerte Artashes Minasjan gerade, dass ich
nicht schon gestern angereist bin. Ausserdem habe es heute zum ersten Mal
seit längerer Zeit geregnet... Dirk Poldauf, Jerewan

October 18, 2001
Round 7
CUBA       - RUSSIA     1  :3
UZBEKISTAN - ARMENIA    2  :2
UKRAINE    - FYROM      2  :2
HUNGARY    - IRAN       3,5:0,5

Bei der Mannschafts-Weltmeisterschaft in Jerewan lief heute alles für
Russland. Der Topfavorit setzte sich mit 3:1 ueber die Kubaner hinweg. Auf
wackeligen Beinen stand allerdings Alexej Drejews Sieg gegen Reynaldo Vera.
Der Mann aus Moskau gab zu, nach der Eröffnung schlecht gestanden zu haben.
"Doch dann begann er zu opfern", meinte der Moskauer grinsend. Der Kubaner
Walter Arencibia, der neben mir im Internetcafe sitzt, schildert mir soeben
den Matchverlauf aus seiner Sicht. Er sagt, dass Vera die Verteidigung
Springer e2 völlig übersehen habe. Ausserdem glaubte er, mindestens
Dauerschach zu haben. Doch dem war nicht so...
An Brett 1 soll Lenier Dominguez gegen Peter Swidler einen Moment lang sehr
gut gestanden haben, doch Swidler habe sich schnell und gut verteidigt.
Letztlich hatte der Russe im Springerendspiel sogar einen Bauern mehr, aber
das Remis war korrekt.
Ebenso wie bei Arencibia selbst gegen Grischuk. Der schwache kubanische
Bauer wurde mit aktivem Spiel ausgeglichen, das russische Remisangebot
akzeptiert. Abreu war an Brett 4 gegen Sakajew ohne Chance.
Morgen spielen die Männer von der Zuckerinsel gegen Deutschland. "Wir wollen
uns für die 0,3:3,5-Niederlage von der Schacholympiade 1998 in Elista
revanchieren", sagt Walter und lächelt. Natürlich werde dies gegen die
Deutschen sehr schwer. Wie sie gespielt hätten, fragte er noch. Achso ja,
sie waren ja spielfrei.
Das Wundenlecken, genannt Mannschaftsbesprechung, war heute um 16.00 Uhr
angesetzt. Die Männer um Teamchef Uwe Bönsch, der sich wie Alexander Graf
und Thomas Luther heute im Operhaus sehen liess, hatten heute Glück im
Unglück, denn die Ukrainer und Armenier versagten.
Die Ukraine schaffte nur vier klägliche Remisen gegen die bisher arg
gebeutelten Mazedonier. Die längste Partie des Tages knetete "Wunderkindel"
Ponomarjow gegen Nedew. Doch nur Remis trotz Mehrbauer im Turmendspiel.
Manch einer mag gedacht haben, dass "Pono" jedes bessere Endspiel gewinnt.
Ganz schwach heute die Gastgeber. Lputjan legte gegen Juldaschew das 0-1
vor. "Ein Grossmeister darf kein einzügiges Matt übersehen" schimpfte der
Vater von Spitzenbrett Akopjan. Sohnemann Wladimir entschärfte Usbekistans
Weltklassemann Rustam Kasimdshanow - remis. Waganjan schien eher Probleme zu
haben, doch plötzlich brandete Beifall im Saal auf. Sein usbekischer Gegner
scheint einen Turm eingestellt zu haben. Riesenglück für Armenien auch am
vierten Brett, wo Punktegarant Ashot Anastasjan mit Minusbauern in höherem
Sinne gegen den Nobody Jegin auf Verlust stand. Die unsägliche
Bedenkzeitregelung sorgt dafür, dass die Spieler oft stundenlang in Zeitnot
sind. So auch hier. Schliesslich willigte der Usbeke entnervt in das Remis
durch Zugwiederholung ein und handelte sich ebenso wie sein Kollege an Brett
2 wüste Schelte seines Mannschaftskapitäns ein. "Ich weiss, dass ich auf
Gewinn stand, doch ich bin durcheinander gekommen". Dies wiederholte er
einige Male, doch es half nicht. Anastasjan holte sich trotz schwacher
Leistung den Beifall des zahlreichen Publikums für den halben Zähler ab, der
Armenien selbst im Kampf um Gold noch alle Chancen lässt, auch wenn die
Russen zuletzt einen viel stärkeren Eindruck als das Team der Gastgeber
machten. Dirk Poldauf, Jerewan

October 19, 2001
Round 8
FYROM      - HUNGARY    1,2:2,5
ARMENIA    - UKRAINE    1,5:2,5
RUSSIA     - UZBEKISTAN 2  :2
GERMANY    - CUBA       2  :2

"Vivat Cuba!", solle ich heute in meinem Tagesbericht schreiben, sagte mir
der kubanische Ersatzspieler Abreu nach dem 2:2 seiner Mannschaft gegen
Deutschland. Doch dies würde den Jungs von der Insel eigentlich zu viel der
Ehre antun, denn die von ihnen sehr hoch geachteten Deutschen haben ihnen
diesen Erfolg quasi geschenkt. Es fing alles so gut an mit dem schnellen
Sieg von Artur Jussupow gegen Lenier Dominguez. Artur hatte den Kubaner in
einer für diesen unbekannten Eröffnungsvariante gefangen, die er am Ruhetag
vorbereitet hatte. Nach dem Fehler Dame e6 gab es kein Entrinnen mehr. Artur
entschuldigte sich bei seinem Gegner und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck,
dass sie das nächste Mal eine richtige Partie auf dem Brett haben werden,
"denn das heute war nicht fair".
Als Artur von der Analyse wieder auf die Bühne strebte, informierte ihn
Peter Leko über die Geschehnisse in der Partie Graf-Arencibia. Der deutsche
Bär schlug nur vor Schreck die Hand vor den Kopf. Alexander Graf hatte in
einem Springerendspiel seinem Gegner den Springer zum Frass hingestellt.
Arencibia, der die ganze Zeit über äusserst zappelig gewirkt hatte, war
völlig konsterniert. Eine Zehntelsekunde später sah es auch Alexander. Der
Springer war weg und die Partie sofort beendet. Dabei hatte Weiss vorher und
auch noch in der Schlusstellung (vor Sc4-d2??) noch berechtigte
Gewinnversuche unternehmen können. Der Leipziger konnte sich diesen für eine
Weltmeisterschaft unglaublichen Lapsus überhaupt nicht erklären. Im Schach
scheint eben alles möglich. An der Bedenkzeit konnte es nicht gelegen haben,
denn das Chronometer wies noch 22 Minuten für ihn aus. Mir gefiel, dass
Artur seinen immer noch sichtlich geschockten Mannschaftskameraden nur
wenige Minuten nach der Katastrophe kurz umarmte.
Fakt ist, dass es im Saal sehr unruhig bis laut war, zumal in der Ecke, in
der die Deutschen spielten. Denn dort sammelten sich die armenischen
Zuschauermassen vor den vier Demonstrationsbrettern, an denen die Partien
ihrer Idole übertragen wurden. Die Schiedsrichter haben es längst
aufgegeben, gegen den Lärm anzukämpfen.
Doch auch die Armenier hatten nichts zu lachen. Wladimir Akopjan stahl sich
gegen Wassili Iwantschuk mit einem schnellen Remis aus der Verantwortung,
ähnlich wie Karen Asrjan gegen Wladimir Baklan. Da zeichnete sich schon ab,
dass Rafael Waganjan als Schwarzer gegen Ruslan Ponomarjow enen schweren
Stand haben würde. Der 50-jährige Porzer verlor schliesslich tatsächlich
gegen das knetende Wunderkindel. Wenigstens schaffte Artashes Minasjan aus
etwas schlechterer Stellung heraus das Remis gegen Oleg Romanischin.
Beifall für diese Leistung vom lauten, aber sachkundigen Publikum. Das
geschah exakt um 17.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit (20.00 hier). Danach bin
ich sofort losgegangen, um diesen Bericht zu verfassen. Alexej Drejew
versucht zur Zeit noch, ein Turmendspiel mit Mehrbauern gegen den Usbeken
Safin zu gewinnen. Ansonsten hätten die Russen nur 2:2 gespielt. Das wäre
dann nur ein halber Punkt Vorsprung vor der morgigen Schlussrunde gegen die
Ukraine.
Ein echtes Finale - mit den Armeniern in Lauerstellung. Für Deutschland sind
die Medaillenhoffnungen geplatzt. Es gilt, sich im Schlussgang gegen die
immer stärker werdenden Usbeken den vierten Platz zu sichern. Dirk Poldauf,
Jerewan

October 20, 2001
Round 9
UZBEKISTAN - GERMANY    1,5:2,5
UKRAINE    - RUSSIA     2,5:1,5
HUNGARY    - ARMENIA    2,5:1,5
IRAN       - FYROM      2,5:1,5

Die Ukraine ist Weltmeister! In einem dramatischen Kampf wurden die Russen
mit 2,5:1,5 vom Thron gestuerzt. Held des Tages war einmal mehr Ruslan
Ponomarjow, der in einem dramatischen Ringen Alexej Drejew bezwang. Der
Russe ging mit einem Minusbauern in das Endspiel. Trotz der ungleichfarbigen
Läufer ist gegen einen Ponomarjow in so einer Stellung kein Kraut gewachsen.
Drejew kämpfte verbissen. Auch gegen die Uhr. Mehrfach war der Moskauer bis
auf fünf Sekunden herunter (30 Sekunden Bonus pro Zug), während der Ukrainer
seine starken Züge mit stoischer Ruhe abspulte. Irgendwann hielt Drejew der
Dauerzeitnot nicht stand und gab auf.
Nebenan witterten die Armenier plötzlich ihre Chance auf Gold. Als
Publikumsliebling Rafael Waganjan gegen den Ungarn Peter Leko gewann, stand
das Haus Kopf. Ohrenbetäubendes Klatschen, Pfeifen, Johlen des Publikums.
Eine Stimmung wie auf dem Fussballplatz. So muss es sein. Emotion pur beim
Schach. Das gibt es nur in Armenien. Da half es auch nicht, dass Peter
Swidler (frühes Schwarzremis gegen Wassili Iwantschuk) das Publikum mit
ausgebreiteten Armen zu beschwichtigen versuchte, da sich sein Landsmann
Drejew in der alles entscheidenden Partie in horrender Zeitnot befand. Am
Ende verlor Armenien jedoch 1,5:2,5 gegen die Magyaren und musste sich mit
Bronze zufrieden geben.
Deutschland verschaffte sich mit dem 2,5:1,5 gegen Usbekistan einen guten
Abgang. Die Asiaten hatten am Abend zuvor ein 2:2 angeboten. Doch solche
Mauscheleien sind mit einem Teamchef wie Uwe Bönsch nicht zu machen. Und das
ist auch gut so. Schach-Deutschland hat international einen extrem guten
Ruf. Und der wurde bei der ersten WM-Teilnahme mit Rang vier verteidigt.
Auch wenn nicht alle Träume reiften.
Es gibt viel auszuwerten in der nächsten Ausgabe von "Schach". Es ist viel
passiert in Jerewan. Unter anderem wird Ruslan Ponomarjow im Interview zu
Wort kommen und sich auch zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äussern, die
im Zusammenhang mit dem Assejew-Fall in Ohrid gegen ihn laut geworden waren.
So spröde, wie er gern dargestellt wird, präsentierte sich der neue
ukrainische Held im Interview ganz und gar nicht. Mehrfach brach er in
lautes Lachen aus. Dann holten ihn seine Team-Kameraden Wereslaw Eingorn und
Wladimir Baklan zum Feiern ab. Dazu gibt es in "Schach" 11/2001 ein
"Schachfragen-Special". Lassen Sie sich überraschen. Aus dem sonnigen
Jerewan verabschiedet sich - Dirk Poldauf.

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