nächste Ausgabe vorherige Ausgabe Übersicht
Newsletter abonnieren

Info-Mail Schach Nr. 210


Hallo Schachfreunde,

das Match zwischen Vladimir Kramnik und dem Schachprogramm Deep Fritz in
Bahrain im persischen Golf ist in diesen Tagen nicht nur unter den
Schachspielern ein Thema. Wie selten zuvor nehmen die Medien und damit auch
die Öffentlichkeit Notiz von diesem Ereignis.

In einigen Kommentaren war schon die Rede davon, Kramnik versuche die "Ehre
der Menschheit" zu retten. Das klingt zwar etwas sehr patetisch, hilft aber
immerhin dem Schachsport vorübergehend etwas mehr Aufmerksamkeit zu sichern.

Gestern fand die erste Partie statt, die mit einem Remis endete. Hier bei
Info-Mail könnt Ihr heute einen Vorbericht aus der "Stuttgarter Zeitung" und
am Ende der Mail die Notation der ersten Partie finden.

Wir werden Euch natürlich über die Ereignisse am persischen Golf auf dem
laufenden halten.

Salam aleikum
Toni

Kann der Eisschrank den Computer knacken?
Weltmeister Kramnik tritt im Golfstaat Bahrain gegen Schachprogramm Deep
Fritz an

Hamburg - Fünf Jahre nach dem spektakulären Sieg des IBM-Superrechners Deep
Blue gegen den besten Schachspieler der Welt, Garri Kasparow, kommt es
erneut zum Showdown Mensch gegen Maschine. Der amtierenden
Braingames-Weltmeister Vladimir Kramnik tritt vom 4. bis 20. Oktober im
Golfstaat Bahrain gegen Deep Fritz an.

Natürlich geht es bei dem Wettkampf über acht Partien unter dem Motto
"Brains in Bahrain" auch ums Geld. Kramnik erhält für einen Sieg eine
Million Dollar, bei einem Remis 800 000 Dollar und bei einer Niederlage 600
000 Dollar. Noch wichtiger erscheint aber die Frage, ob Rechnern Intelligenz
zuzuschreiben ist. "Kramnik ist ein harter Gegner", sagt Frederic Friedel,
Mitbegründer der Firma Chessbase, die Deep Fritz entwickelt hat. Friedel hat
Spieler wie Kasparow, Vishwanathan Anand und Kramnik über Jahre beraten. Den
Gegner von Deep Fritz schätzt er als bescheiden, aber sehr ehrgeizig ein.
Sein Spitzname "Eisschrank" gehe auf seine kühl-sachliche Spielweise zurück.

Die Hamburger Firma musste dem Russen die aktuelle Version von Deep Fritz
schon vor längerer Zeit aushändigen. "Der Weltmeister hat Experten um sich
geschart, um die Stärken und Schwächen unseres Programms zu analysieren",
sagt Friedel. Das sei etwas unfair, "wir dürfen sein Gehirn nicht
untersuchen". Das in Bahrain eingesetzte Programm kostet mehr als 30 000
Dollar, eine kaum schwächere Version wird von dem Hamburger Unternehmen
unter gleichem Namen für rund 100 Euro angeboten.

Kramnik selbst schätzt seine Chancen kritisch ein. "Es ist viel schwieriger,
sich auf ein Spiel gegen einen Rechner als gegen einen Menschen
vorzubereiten", sagt der Russe. Diese Zurückhaltung scheint angemessen:
Heutige Schachcomputer sind weitaus leistungsfähiger als es Deep Blue 1997
war. Chessbase-Chef Friedel hält Kramnik dennoch für stark genug, seine
Maschine zu besiegen. Aber auch wenn der Großmeister am Ende die Oberhand be
hält, könnte dies der letzte Sieg im Duell Gehirn gegen Mikrochip gewesen
sein. "Bis 2005 ist ein Programm auf dem Markt, das jeden Spieler besiegen
kann", ist Friedel überzeugt.

Schach gilt als geeignet für Maschinen, da relativ wenige Regeln ausreichen,
um es zu beschreiben. "Der Computer ist ein kompletter Idiot, aber er ist
fürchterlich schnell und kann weit vorausrechnen", sagt Friedel. Mit
schierer Rechenleistung bewältigt die Technik die Aufgabe, innerhalb von
wenigen Sekunden tausende Stellungen auf dem Schachbrett durchzuspielen.
Allerdings steigt die Zahl der Rechenoperationen von Zug zu Zug beinahe
explosionsartig an. Zu Beginn hat jeder Spieler 20 Varianten. Daraus
errechnen sich nach der Eröffnung 400 Optionen. Schon wenn Schwarz oder Weiß
14-mal am Zug waren, ergeben sich 27 Trilliarden Möglichkeiten.

Wichtigstes Ziel der Programmierer ist es daher, den Rechnern beizubringen,
nicht alles durchzuspielen. Nur Erfolg versprechende Züge sollen
weiterverfolgt werden. Friedel spricht seinem Programm durchaus
intelligentes Verhalten zu. "Nur Experten erkennen, wenn sie gegen Deep
Fritz spielen."

(Artikel aus den Stuttgarter Nachrichten vom 02.10.2002:
VON THILO RESENHOEFT)

Deep Fritz - Kramnik (Elo 2800)
Man vs Machine Bahrain (1), 04.10.2002

Erste Partie remis
Mit den schwarzen Steinen wählte Kramnik in der ersten Partie seines
Wettkampfes die Berliner Verteidigung und hatte keine Mühe, damit Ausgleich
und das angestrebte Remis zu erreichen. Am Sonntag führt Kramnik in der
zweiten Partie die weißen Steine und wird vermutlich auf Gewinn spielen.

Deep Fritz - Kramnik (Spanisch C 67)
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.0-0 Sxe4 5.d4 Sd6 6.Lxc6 dxc6 7.dxe5 Sf5
8.Dxd8+ Kxd8 9.Sc3 h6 10.b3 Ke8 11.Lb2 Le7 12.Tad1 a5 13.a4 h5 14.Se2 Le6
15.c4 Td8 16.h3 b6 17.Sfd4 Sxd4 18.Sxd4 c5 19.Sxe6 fxe6 20.Txd8+ Kxd8 21.Lc1
Kc8 22.Td1 Td8 23.Txd8+ Kxd8 24.g4 g6 25.h4 hxg4 26.Lg5 Lxg5 27.hxg5 Ke8
28.Kg2 ½-½
 

zurück zur Startseite

© 1998 - 2015 by Anton Lindenmair, Augsburg