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Info-Mail Schach Nr. 239


Hallo Schachfreunde,
in der letzten Ausgabe haben wir von merkwürdigen Schachaktivitäten auf
einer Toilette berichtet. Bei einem Open in Lampertheim versuchte sich ein
Teilnehmer im unerlaubten Spiel "Mensch mit Computer" - in den nächsten
Tagen heißt es "Mensch gegen Computer". Bereits im Vorfeld ist das
Medieninteresse gewaltig und angeblich geht es beim Wettkampf Kasparov gegen
Deep Junior ab 26. Januar in New York wieder einmal um die Ehre der
Menschheit. Am Ende dieser Mail findet Ihr Lesestoff zu dieser
Veranstaltung.

Aufgrund der Vorbereitungen fehlte Kasparov, aber sonst versammelte sich die
komplette Weltspitze beim ersten Superturnier des neuen Jahres im kleinen
holländischen Wijk aan Zee. Das frühere Hochofenturnier wird seit einigen
Jahren vom niederländisch-englischen Stahlkonzern Corus unterstützt und
trägt jetzt auch diesen Namen (Endstand aktuell aus dem Internet).

Auch heute haben wir keine Ergebnisse aus dem Blindenschach - aber ein
Blindenschachbrett (Preis 40 Euro) -  anzubieten. Wer interessiert ist,
schickt mir eine Mail und erhält die entsprechenden Informationen.
Viel Spaß beim Lesen dieser Mail und viele schachliche (!) Schlagzeilen aus
New York wünscht
Herbert Lang

Anand gewinnt Corus 2003 (www.chessbase.de)
Anand sicherte sich den Turniersieg durch ein Remis gegen Bareev. Judit
Polgar wurde nach Remis gegen Radjabov alleinige Zweite mit einem halben
Punkt Abstand. Den dritten Platz belegte Bareev. Shirov punktete heute noch
einmal und schob sich auf Platz vier vor. Er schlug Van Wely im direkten
Vergleich und überholte den holländischen Spitzenmann durch bessere
Sonderwertung. Insgesamt fünf Spieler kamen auf 7.0 Punkte, darunter auch
Ivanchuk, der heute Revanche für seine WM-Final-Niederlage gegen Ponomariov
nahm und den Fide Welt-Meister auf den drittletzten Platz schob. Am
Tabellenende landeten Krasenkow und der völlig indisponierte Timman.
Endstand:1. Anand, Viswanathan g IND 2753 8.5; 2. Polgar, Judit g HUN 2700
8.0; 3. Bareev, Evgeny g RUS 2729 7.5; 4. Shirov, Alexei g ESP 2723 7.0; 5.
Van Wely, Loek g NED 2668 7.0; 6. Grischuk, Alexander g RUS 2712 7.0; 7.
Ivanchuk, Vassily g UKR 2699 7.0; 8. Kramnik, Vladimir g RUS 2807 7.0; 9.
Radjabov, Teimour g AZE 2624 6.5; 10. Topalov, Veselin g BUL 2743 6.5; 11.
Karpov, Anatoly g RUS 2688 6.0; 12. Ponomariov, Ruslan g UKR 2734 6.0; 13.
Krasenkow, Michal g POL 2633 4.5; 14. Timman, Jan H g NED 2594 2.5;

Schach dem Raufbold  - Garry Kasparow nimmt nach sechs Jahren Revanche am
Computer. Deep Junior heißt diesmal der Gegner. (Von Patrick Illinger -
Südeutsche Zeitung vom 25.1.2003)

Ganze 19 Züge dauerte das Debakel der Menschheit. Mehr brauchte ein Computer
mit dem Namen Deep Blue im Jahr 1997 nicht, um im sechsten und
entscheidenden Spiel den seinerzeit amtierenden Schachweltmeister Garry
Kasparow vom Brett zu fegen. Verloren war nicht nur das Match: Schach, bis
dahin ein Sinnbild der unantastbaren Überlegenheit menschlicher Intelligenz,
war plötzlich eine Domäne für Computer geworden. Kasparow verlor die Nerven,
bezichtigte die Spezialisten von IBM unlauterer Machenschaften und forderte
Revanche. Doch die Techniker packten ihre 1,5 Tonnen schwere Wundermaschine
ein und ließen sich seither nie wieder bei einem Schachturnier blicken.

Erst jetzt, knapp sechs Jahre später, setzt sich Garry Kasparow wieder einer
Maschine gegenüber ans Schachbrett. Deep Junior heißt diesmal der Gegner,
mit dem er sich von Sonntag an bis zum 7. Februar in New York messen wird.
Zum ersten Mal unterstützt der Weltschachverband Fide, auf dessen Rangliste
Kasparow den Spitzenplatz einnimmt, ein offizielles Match zwischen Mensch
und Computer. Kasparow erhält dafür 500.000 Dollar Startgeld plus 300.000,
falls er gewinnt.

Anders als Deep Blue, ein elektronisches Kraftpaket, das mit 418
Mikroprozessoren 200 Millionen Züge in einer Sekunde analysierte, verlässt
sich Deep Junior nicht auf schiere Rechenkraft. In New York wird Deep Junior
auf einem Rechner laufen, der mit zwei Mikroprozessoren auskommt. Eine
abgespeckte Version des für nur 50 Euro erhältlichen Programms lässt sich
sogar auf einem handelsüblichen PC installieren. Die Stärke von Deep Junior
liegt in der Eleganz der Programmierung. Zwei Computerfachleute aus Tel
Aviv, Amir Ban und Shay Bushinsky, haben die Software mit Ratschlägen des
israelischen Großmeisters Boris Alterman geschrieben. Unter
Schachprogrammen, deren Spielweise in Fachkreisen längst mit menschlichen
Attributen beschrieben wird, gilt Deep Junior als aggressiv, ungestüm,
manchmal selbstmörderisch. äRaufbold-Schachô, nennt es Frederic Friedel,
dessen Firma Chessbase die Software vertreibt.

Die herzhafte, oft überraschende Spielweise unterscheidet Deep Junior von
anderen äEnginesô, wie Computerfachleute das Herzstück eines Schachcomputers
nennen. Ein Programm, das schon mal eigene Figuren opfert, um einen Vorteil
herauszuspielen, dürfte dem Charakter des Ausnahmespielers Kasparow am
nächsten kommen. äJunior spielt am ehesten wie ein Menschô, sagt Friedel.
Fritz zum Beispiel, ein deutsches Programm, gilt als stärker, aber
langweiliger. Gegen die Turnierversion Deep Fritz erreichte Vladimir
Kramnik, zweiter der Weltrangliste und zurzeit Inhaber des
Weltmeistertitels, vor einigen Monaten nur ein 3:3.

So bleibt der Wettkampf zwischen Mensch und Maschine auch im 21. Jahrhundert
spannend. Für Schachspieler wie Computerfachleute gleichermaßen interessant
ist die Analyse der unterschiedlichen Stärken: Computer machen niemals einen
plumpen Fehler, wie er einem Champion im Laufe der bis zu siebenstündigen
Begegnungen unterlaufen kann. Ein Computer hingegen hat größte Mühe, während
eines Spiels und auch innerhalb eines Matches die Strategie umzustellen.
Eines jedoch können beide: bis zu 16 Züge voraus denken. Das hebt sie ab vom
Niveau eines Hobbyspielers.

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