Hallo Schachfreunde, in der letzten Ausgabe haben wir von merkwürdigen Schachaktivitäten auf einer Toilette berichtet. Bei einem Open in Lampertheim versuchte sich ein Teilnehmer im unerlaubten Spiel "Mensch mit Computer" - in den nächsten Tagen heißt es "Mensch gegen Computer". Bereits im Vorfeld ist das Medieninteresse gewaltig und angeblich geht es beim Wettkampf Kasparov gegen Deep Junior ab 26. Januar in New York wieder einmal um die Ehre der Menschheit. Am Ende dieser Mail findet Ihr Lesestoff zu dieser Veranstaltung. Aufgrund der Vorbereitungen fehlte Kasparov, aber sonst versammelte sich die komplette Weltspitze beim ersten Superturnier des neuen Jahres im kleinen holländischen Wijk aan Zee. Das frühere Hochofenturnier wird seit einigen Jahren vom niederländisch-englischen Stahlkonzern Corus unterstützt und trägt jetzt auch diesen Namen (Endstand aktuell aus dem Internet). Auch heute haben wir keine Ergebnisse aus dem Blindenschach - aber ein Blindenschachbrett (Preis 40 Euro) - anzubieten. Wer interessiert ist, schickt mir eine Mail und erhält die entsprechenden Informationen. Viel Spaß beim Lesen dieser Mail und viele schachliche (!) Schlagzeilen aus New York wünscht Herbert Lang Anand gewinnt Corus 2003 (www.chessbase.de) Anand sicherte sich den Turniersieg durch ein Remis gegen Bareev. Judit Polgar wurde nach Remis gegen Radjabov alleinige Zweite mit einem halben Punkt Abstand. Den dritten Platz belegte Bareev. Shirov punktete heute noch einmal und schob sich auf Platz vier vor. Er schlug Van Wely im direkten Vergleich und überholte den holländischen Spitzenmann durch bessere Sonderwertung. Insgesamt fünf Spieler kamen auf 7.0 Punkte, darunter auch Ivanchuk, der heute Revanche für seine WM-Final-Niederlage gegen Ponomariov nahm und den Fide Welt-Meister auf den drittletzten Platz schob. Am Tabellenende landeten Krasenkow und der völlig indisponierte Timman. Endstand:1. Anand, Viswanathan g IND 2753 8.5; 2. Polgar, Judit g HUN 2700 8.0; 3. Bareev, Evgeny g RUS 2729 7.5; 4. Shirov, Alexei g ESP 2723 7.0; 5. Van Wely, Loek g NED 2668 7.0; 6. Grischuk, Alexander g RUS 2712 7.0; 7. Ivanchuk, Vassily g UKR 2699 7.0; 8. Kramnik, Vladimir g RUS 2807 7.0; 9. Radjabov, Teimour g AZE 2624 6.5; 10. Topalov, Veselin g BUL 2743 6.5; 11. Karpov, Anatoly g RUS 2688 6.0; 12. Ponomariov, Ruslan g UKR 2734 6.0; 13. Krasenkow, Michal g POL 2633 4.5; 14. Timman, Jan H g NED 2594 2.5; Schach dem Raufbold - Garry Kasparow nimmt nach sechs Jahren Revanche am Computer. Deep Junior heißt diesmal der Gegner. (Von Patrick Illinger - Südeutsche Zeitung vom 25.1.2003) Ganze 19 Züge dauerte das Debakel der Menschheit. Mehr brauchte ein Computer mit dem Namen Deep Blue im Jahr 1997 nicht, um im sechsten und entscheidenden Spiel den seinerzeit amtierenden Schachweltmeister Garry Kasparow vom Brett zu fegen. Verloren war nicht nur das Match: Schach, bis dahin ein Sinnbild der unantastbaren Überlegenheit menschlicher Intelligenz, war plötzlich eine Domäne für Computer geworden. Kasparow verlor die Nerven, bezichtigte die Spezialisten von IBM unlauterer Machenschaften und forderte Revanche. Doch die Techniker packten ihre 1,5 Tonnen schwere Wundermaschine ein und ließen sich seither nie wieder bei einem Schachturnier blicken. Erst jetzt, knapp sechs Jahre später, setzt sich Garry Kasparow wieder einer Maschine gegenüber ans Schachbrett. Deep Junior heißt diesmal der Gegner, mit dem er sich von Sonntag an bis zum 7. Februar in New York messen wird. Zum ersten Mal unterstützt der Weltschachverband Fide, auf dessen Rangliste Kasparow den Spitzenplatz einnimmt, ein offizielles Match zwischen Mensch und Computer. Kasparow erhält dafür 500.000 Dollar Startgeld plus 300.000, falls er gewinnt. Anders als Deep Blue, ein elektronisches Kraftpaket, das mit 418 Mikroprozessoren 200 Millionen Züge in einer Sekunde analysierte, verlässt sich Deep Junior nicht auf schiere Rechenkraft. In New York wird Deep Junior auf einem Rechner laufen, der mit zwei Mikroprozessoren auskommt. Eine abgespeckte Version des für nur 50 Euro erhältlichen Programms lässt sich sogar auf einem handelsüblichen PC installieren. Die Stärke von Deep Junior liegt in der Eleganz der Programmierung. Zwei Computerfachleute aus Tel Aviv, Amir Ban und Shay Bushinsky, haben die Software mit Ratschlägen des israelischen Großmeisters Boris Alterman geschrieben. Unter Schachprogrammen, deren Spielweise in Fachkreisen längst mit menschlichen Attributen beschrieben wird, gilt Deep Junior als aggressiv, ungestüm, manchmal selbstmörderisch. äRaufbold-Schachô, nennt es Frederic Friedel, dessen Firma Chessbase die Software vertreibt. Die herzhafte, oft überraschende Spielweise unterscheidet Deep Junior von anderen äEnginesô, wie Computerfachleute das Herzstück eines Schachcomputers nennen. Ein Programm, das schon mal eigene Figuren opfert, um einen Vorteil herauszuspielen, dürfte dem Charakter des Ausnahmespielers Kasparow am nächsten kommen. äJunior spielt am ehesten wie ein Menschô, sagt Friedel. Fritz zum Beispiel, ein deutsches Programm, gilt als stärker, aber langweiliger. Gegen die Turnierversion Deep Fritz erreichte Vladimir Kramnik, zweiter der Weltrangliste und zurzeit Inhaber des Weltmeistertitels, vor einigen Monaten nur ein 3:3. So bleibt der Wettkampf zwischen Mensch und Maschine auch im 21. Jahrhundert spannend. Für Schachspieler wie Computerfachleute gleichermaßen interessant ist die Analyse der unterschiedlichen Stärken: Computer machen niemals einen plumpen Fehler, wie er einem Champion im Laufe der bis zu siebenstündigen Begegnungen unterlaufen kann. Ein Computer hingegen hat größte Mühe, während eines Spiels und auch innerhalb eines Matches die Strategie umzustellen. Eines jedoch können beide: bis zu 16 Züge voraus denken. Das hebt sie ab vom Niveau eines Hobbyspielers.