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Info-Mail Schach Nr. 270


Hallo Schachfreunde,

das Sommerloch im Schach hat sich bereits unverkennbar geöffnet und so kann
ich Euch heute keine aktuellen News bieten. Aber etwas Lesestoff gibt es als
Ausgleich - leichte Kost für heiße Tage.

Bei ChessBase fand ich einen interessanten Artikel über das wohl bekannteste
"Schachdorf" in Deutschland.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Euch
Toni aus Augsburg

Ströbecker Schachschule von Schließung bedroht
von André Schulz, mit besonderem Dank an Susanne Heizmann, Ströbeck
http://www.chessbase.de/

Das Schachdorf Ströbeck im Harz hat eine nicht nur in Deutschland
einzigartige Geschichte, die eng mit dem Schachspiel verwoben ist. Seit der
Wendenherzog Gunzelin seinerzeit das Spiel in das Dorf brachte, wird hier
die Schachtradition gepflegt. Die Schule des Dorfes ist die einzige in
Deutschland, in der das Schachspiel Pflichtfach ist, dies seit 1823. Wegen
sinkender Schülerzahlen und neuer Bestimmungen ist die Schule in Ströbeck
von der Schließung bedroht. Ohne die Schachschüler wäre auch das berühmte
Ströbecker Lebendschach nicht mehr möglich. Eine jahrhundertealte Tradition
fiele dem Federstrich zum Opfer. Eine Initiativgruppe versucht verzweifelt,
die Schließung zu verhindern.

Das Dorf Ströbeck liegt im Nordharz, etwa 60 Km südlich von Braunschweig in
der Nähe von Halberstadt und hat 1200 Einwohner. Als Schachdorf Ströbeck hat
der Ort seit Jahrhunderten eine besondere Tradition in Verbindung mit dem
Schachspiel. Seit dem 11.Jahrhundert spielt das Schachspiel hier eine
besondere Rolle und ist mit der Geschichte des Ortes verwoben. Seit 1823 ist
Schach in der Ströbecker Schule Unterrichtsfach. Das ist einzigartig, nicht
nur in Deutschland.
Laut Überlieferung wurde im Jahr 1011 der Wendenherzog Gunzelin als
Gefangener von Bischof Arnulf II. in den auch heute noch existierenden
Ströbecker Wartturm eingesperrt. Ströbecker Bauern bewachten ihn. Bald war
dem Gefangenen langweilig und er bat um ein Schnitzmesser und Holz. Daraus
schnitzte er Schachfiguren und malte sich ein Schachbrett auf den Tisch.
Schließlich lehrte er die Wächter das Spiel und so kam Schach nach Ströbeck
und wurde von Generation zu Generation überliefert.
Es erlangte große Popularität und wurde überall im Dorf, im Gasthaus und in
den Spinnstuben gerne gespielt. Obwohl Ströbeck im Dreißigjährigen Krieg
vollständig verwüstet wurde, hat die Tradition bis heute überdauert. So
wurden die durchreisenden neuen Landesherren jedes mal auf dem Dorfanger zu
einer Partie herausgefordert.
Als im 17.Jh. kurbrandenburgische Beamte Steuern eintreiben wollten, wurden
sie zum Schach um die Steuern heraus gefordert und verloren die Partie. Am
13.Mai 1651 kam der Kurfürst selbst und wollte nach dem Rechten sehen. Er
setzte sich in alter Tradition auf freiem Feld vor den Schachtisch. Doch
auch diese Partie gewannen die Ströbecker. Zur Anerkennung schenkte der
Kurfürst den Ströbeckern ein kostbares Schachbrett, das heute im
Schachmuseum zu sehen ist. In der Mitte des Wappens Kurbrandenburgs ist dort
folgende Inschrift zu lesen:
"Daß Sereniß, Curfürstliche Durchlaucht zu Brandenburg und Fürst zu
Halberstadt, Herr Friedrich Wilhelm, dieses Schach-und Curierspiel am 13.Mai
1651 dem Flecken Ströbke aus sondern Gnaden verehret und bei ihrer alten
Gerechtigkeit zu schützen gnädigst zugesagt, solches ist zum ewigen
Gedächtnis hierauf verzeichnet."

Schach vor 100 Jahren in Ströbeck
Seit dem 17.Jh. gibt es den Brauch, dass der Bräutigam sich seine Braut erst
noch erspielen muss. Dabei trat er gegen einen ausgewählten Spieler, meist
den Dorfschulzen, an. Es durfte nicht in die Partie hineingeredet werden Nur
wenn der Ströbecker Vertreter einen Fehler zu machen drohte, hatten die
Zuschauer das Rechn, ihn zu warnen. Sie riefen dann: "Vadder, mit Rat!"
(Gevatter, mit Bedacht, oder: Pass auf!). Falls der Bräutigam verlor, musste
er ein Strafgeld in die Gemeindekasse zahlen.
Die Tradition des heute noch vorgeführten Lebendschach geht auf das Jahr
1688 zurück. In diesem Jahr machten die Ströbecker Herzog Ludwig Rudolf von
Braunschweig auf ihr Hochzeitsrecht mit Schachspiel aufmerksam. Daraufhin
lud der Herzog den Dorfschulzen Söllig zu sich und einem Schachspiel ein.
Söllig war in Begleitung seines achtjährigen Sohnes, der an einer kritischen
Stelle nach Ströbecker Recht rief: "Vadder, mit Rat". Tatsächlich vermied
der Vater so einen Fehler und gewann die Partie. Den scharfsichtigen Sohn
aber ließ der Herzog daraufhin bei sich studieren. Valentin Söllig wurde
nach dem Tode des Herzogs 1738 zunächst Hofdiakonus und 1749 Prediger in
Hasselfelde.

Lebendschach auf dem Dorfplatz in Ströbeck
Der alte Wartturm aus dem Jahr 1011 ist auch heute noch in Ströbeck zu sehen
und heißt jetzt Schachturm. Im Schachmuseum sind viele Zeugnisse der
Ströbecker Schachgeschichte zu sehen. Seit kurzer Zeit ist auch das
"Gasthaus zum Schachspiel" wieder eröffnet, dass es seit dem 17.Jh in
Ströbeck gibt. In der Mitte des Dorfes ist der "Platz zum Schachspiel". Dort
ist in den Dorfplatz ein lebensgroßes Schachspiel eingepflastert.

Drohende Schließung der Schachschule Ströbeck - Die Fakten:
Sinkende Schülerzahlen durch Geburtenknick.
Neues Gesetz, nach dem nun wieder ab der 5. Klasse ins Gymnasium gewechselt
werden kann, statt wie bisher zur 7.
Gleichzeitig: Neuer Erlass des Landes, nach dem eine 5. Anfangsklasse in der
Sekundarschule mindestens 20 Schüler, im nächsten Jahr 40 Schüler
(zweizügig) haben muss.
Daraufhin hat das Staatliche Schulamt Halberstadt für 2003/2004 die Bildung
einer 5. Anfangsklasse für Ströbeck verweigert und will die betroffenen
Kinder mit dem Bus in ein anderes Dorf schicken.
Warum darf die Schachschule nicht geschlossen werden?
Schach hat in Ströbeck eine Jahrhunderte alte Tradition
Schach wird an der Schule seit 180 Jahren als Pflichtfach gelehrt
Das berühmte Ströbecker Lebendschach-Ensemble setzt sich zusammen aus
Schülern dieser Schule und kann ohne sie nicht existieren
Die Schachtradition und das Lebendschach ist international bekannt durch
Reisen und Medien
Schach ist Teil der kulturellen Identität Ströbecks und der umgebenden
Dörfer: Ströbeck nimmt teil an der Organisation "Kulturdorf Europa" (s.
Web-Adresse auf S.1), deren Gastgeber es 2006 sein wird
Schach ist für die Kinder und Jugendlichen gelebter Geschichtsunterricht,
Schulung in gegenseitiger Fairness und stärkt die analytischen und
mathematischen Fähigkeiten
Ströbeck erscheint wegen seiner Schachtradition seit Jahrhunderten immer
wieder in der Literatur (Schachbücher, Kinderbücher, Magazine). Schach ist
ein wichtiger Werbeträger des Ortes.
Schon seit dem Jahre 2000 bemühen sich Bürgermeister, Verwaltung, Vereine
u.a. wegen der sich abzeichnenden Problematik bei allen Fraktionen und
zuständigen Behörden um Zustimmung zum Erhalt des Schulstandorts Ströbeck.
Sie wurden immer wieder vertröstet oder abgewiesen. Besonders hervorzuheben:
Z. Zt. laufen landkreisübergreifende Gespräche zur Erzielung einer
Zweckvereinbarung, dass benachbarte Verwaltungsgemeinschaften, die aber
verschiedenen Landkreisen angehören, Ihre Schüler gemeinsam beschulen
lassen.
 

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