Hallo Schachfreunde, neben den Ergebnissen aus Wernigerode könnt Ihr heute am Ende dieser Mail einen Vorbericht zur WM lesen, die am 25. September in der Schweiz beginnt. Was das nun genau für eine WM ist, dürft Ihr mich nicht fragen. Es ist jedenfalls nicht die FIDE-WM, aber immerhin spielen mit Vladimir Kramnik und Peter Leko zwei der derzeit stärksten Schachspieler gegeneinander. Im Schach sind eben mittlerweile auch Verhältnisse eingekehrt, wie bei einer anderen Sportart, bei der es normalerweise nicht so sanft zugeht. Wir werden über den Verlauf des Matchs berichten, aber nicht jedes "Salonremis" sofort melden. Sollte allerdings auch mal eine Gewinnpartie vorkommen, so werden wir uns natürlich melden. Viele Grüße aus Augsburg Euer Toni Deutsche Meisterschaft im Blindenschach der Senioren 2004 in Wernigerode 20.09.2004 bis 24.09.2004 Rundenturnier Turnierleiter: Manfred Müller, Senftenberg Ergebnisse der Runde 3 Sand,Werner..... - Pelz,Brigitte... 1,0:0,0 Gaußmann,Manfred - Kübel,Hannelore. 0,5:0,5 Müller,Manfred.. - Jenkner,Hans.... 1,0:0,0 Zwischenstand nach 3 Runden 1. Müller,Manfred.. 3,0 2,50 2. Kübel,Hannelore. 2,5 1,75 3. Gaußmann,Manfred 1,5 2,25 4. Jenkner,Hans.... 1,0 1,00 5. Sand,Werner..... 1,0 0,00 6. Pelz,Brigitte... 0,0 0,00 Lebemann gegen Asket (von Andreas Bucher in FACTS ONLINE) Erstmals seit vier Jahren wird wieder ein Schach-Weltmeisterkampf ausgetragen - im Tessin. Beide Spieler sind Grossmeister, doch sie könnten nicht unterschiedlicher sein. Seit 1886 duellieren sich die besten Schachspieler um den Titel des Weltmeisters - länger als in jeder anderen Sportart. Die Ahnengalerie der Champions kann als Richtschnur durch die Geschichte des Spiels betrachtet werden. Und sie erzählt vor allem eines: Jeder Weltmeister hat seinen Vorgänger in einem fairen Zweikampf besiegt. Niemand trug Versehrungen davon. Es gab nur zwei Ausnahmen: Alexander Aljechin wurde 1946 tot am Schachbrett aufgefunden und nahm den Titel mit ins Grab. Bobby Fischer verliess den Spieltisch nach seinem Titelgewinn 1972 als psychisches Wrack und verabschiedete sich vom professionellen Schach. Nachdem in letzter Zeit vor allem die Duelle Mensch gegen Maschine für Schlagzeilen sorgten, findet heuer erstmals nach fast vier Jahren Pause wieder ein richtiger Titanenkampf statt: Vom 25. September bis zum 18. Oktober werden der derzeitige Weltmeister Wladimir Kramnik (Russland) und sein Herausforderer Peter Leko (Ungarn) im Centro Dannemann in Brissago um die Schachkrone spielen. Beide Gegner bereiten sich intensiv auf den Match vor. ½Ich fühle mich ganz gut. Mein Schach ist in den letzten Monaten wieder stärker geworden», sagt Wladimir Kramnik. ½Ich befinde mich in der letzten Phase der Vorbereitung. Kurz vor Matchbeginn werde ich hoffentlich noch etwas fitter sein.» Kramniks tägliches Programm besteht zurzeit aus dem Studium frisch veröffentlichter Partien, die er nach Neuerungen absucht, aus der Analyse von Stellungen und Partien des kommenden Gegners, aus mentalen Übungen und Fitnesstraining. Unter den Spitzenspielern hat der 29-Jährige den Ruf eines Lebemanns, der wenig am Brett arbeitet. Bis Mitte der Neunzigerjahre ass er reichlich Fastfood, trank den einen oder andern Wodka und rauchte viel: Seine Nikotinsucht, so wird spekuliert, hatte ihn vor zehn Jahren den Sieg in einem WM-Qualifikationsmatch gekostet. Die Partien wurden im obersten Stock des Trump Tower in New York ausgetragen. Im ganzen Gebäude galt ein strenges Rauchverbot. Für jede Zigarette musste Kramnik den Wolkenkratzer verlassen. Er geriet in Zeitnot. Allerdings garantieren Askese und Training noch keinen Erfolg: Der frühere Weltmeister Michail Botwinnik hielt sich an einen rigiden Ernährungsplan und machte täglich seine Atemübungen. Aber er verlor den Titel gegen Michael Tal, einen Raucher, Trinker und gelegentlichen Morphinisten. Und wie hält es Kramnik vor dem anstehenden WM-Kampf in Brissago? Er relativiert: ½Das Klischee vom trainingsfaulen Bohemien Kramnik ist etwas übertrieben», sagt er im Gespräch. ½In den letzten sechs Jahren habe ich versucht, mich professionell zu verhalten. Ich bin eine ziemlich sportliche Person, und vor einem wichtigen Match konzentriere ich mich stärker auf die Fitness. » Er spiele gerne Tennis, auch Schwimmen gehöre dazu oder ab und zu ein Fussballmatch - ½wenn genügend Leute da sind». Kramnik bezeichnet Schach als eine Mischung aus Kunst und Wissenschaft. Sein Vater ist Bildhauer, seine Mutter Musiklehrerin. Erfolgreiches Schach ist für ihn eng mit gestalterischer Ästhetik verbunden. ½Ein Schachspiel kann sehr kreativ sein. Wenn man sich gut fühlt, energiegeladen und ausbalanciert, stellt sich die Kreativität automatisch ein.» Man brauche sich dann nicht speziell darauf vorzubereiten. ½Wenn du dich aber depressiv und müde fühlst, kannst du lange auf Geistesblitze warten.» Mit dem Computer aufgewachsen Während eines Turniers oder einer Trainingsphase mit Tonnen von Schachmaterial sei für ihn Ablenkung sehr wichtig. Momentan lese er gerade ein Buch von Milan Kundera. ½In solchen Phasen ist es von Vorteil, wenn man sich von schwerer Kost fern hält.» Also weder Kant noch Nietzsche. Das Hirn muss ausspannen und eine Weile lang nicht an Schach denken können. ½Mit einem Krimi oder einem humoristischen Text gelingt mir das am besten. Meine andere Methode ist Sport, bis ich physisch ausgepumpt bin.» Peter Leko ist vier Jahre jünger als Kramnik. Er wuchs mit dem Schachcomputer auf, gilt als Asket und Marathonmann unter den Grossmeistern. Kramnik schätzt ihn als sehr schweren Gegner ein. ½Er ist ein exzellenter Verteidiger. In kritischen Situationen zieht er alle Register und kämpft fantastisch, bis zur letzten Gewehrkugel sozusagen.» Schachspieler sind empfindliche Genies, besonders wenn es um viel Geld oder Prestige geht. Im WM-Klassiker von 1972 gegen Boris Spassky hatte Bobby Fischer einen Nervenkrieg angezettelt: um den Abbau der TV-Kameras, die Beleuchtung und ein Verkaufsverbot von Bonbons wegen des knisternden Zellophanpapiers. Die Stimmung grenzte an Hysterie, auch die Sowjets drehten fast durch: Hatten die Amerikaner den Fruchtsaft des Gegners mit Drogen versetzt? Warum musste Fischer einen Ledersessel aus New York einfliegen lassen? Hatte er einen Geheimsender in die Armlehne einbauen lassen? Bizarr waren auch die Geplänkel zwischen Anatoli Karpow und Viktor Kortschnoi 1978: Kortschnoi trug eine verspiegelte Sonnenbrille, während Karpow den Gegner mit Schaukelbewegungen auf dem Drehstuhl nervte. Kortschnoi protestierte beim Schiedsrichter, doch Karpow erklärte: ½Ich höre zu schaukeln auf, wenn er seine Brille abnimmt!» Später liess sich Karpow ein lila gefärbtes Jogurt an den Spieltisch bringen. Das interpretierte Kortschnoi als Signal der Sekundanten und legte Protest ein. Die Jury sass zusammen und entschied, dass Karpow nur zu einem bestimmten Zeitpunkt versorgt und der Schiedsrichter vorher informiert wird, falls es sich nicht um ein lila Jogurt handeln sollte. Zwischen Kramnik und Leko herrscht zurzeit noch eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens, obwohl sie so kurz vor dem Match nicht mehr miteinander kommunizieren. Nach Lekos Qualifikation zum Herausforderer seien sie zusammengesessen und hätten die wichtigen Details des Turnierablaufs besprochen, sagt Kramnik. ½Es gab keine grossen Differenzen. Wir wollen uns beide am Brett durchsetzen.» Doch das ist gar nicht so einfach. Dank der Vorbereitung mit Computern wird es immer schwieriger, den Gegner mit Neuerungen zu überraschen. Zahlreiche für den Amateur unattraktive Remispartien sind die Folge. Schach sei eben auch ein kompliziertes mathematisches Spiel, sagt Kramnik. Mit korrekten Zügen auf beiden Seiten tendiere es zum Unentschieden. ½Je höher das Niveau, desto grösser ist der Anteil der Remispartien. Das ist nur logisch.» Er könne versichern, dass ein Schachprofi niemals eine Partie von vornherein auf Unentschieden anlege. Hoffen auf spektakuläre Züge In Schachzirkeln wird debattiert, wie man die Partien der Spitzenspieler für das Publikum attraktiver gestalten könnte. Ein Vorschlag ist, wie im Fussball für einen Sieg drei Punkte zu vergeben. Doch Kramnik winkt ab: ½Ein Remis ist doch kein Desaster. Im Schach kann es nicht nur um das Resultat gehen, genau wie im Fussball: Ich schaue mir lieber ein Spiel zwischen Frankreich und Italien an, auch wenn es 0:0 ausgeht, als ein Zweitligaspiel, das 5:4 endet.» Kramnik fordert die Schachliebhaber auf, dem Spiel selber etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. ½Wenn es interessante Spiele sind, mit vielen Ideen und reichlich Material zum Analysieren, sollte das Endresultat keine grosse Rolle spielen.» Im WM-Kampf Kramnik gegen Kasparow aus dem Jahr 2000 endeten 13 von 15 Partien remis. Aber die Spiele verliefen laut Kramnik spektakulär und kampfreich. ½Es gab neue Ideen und Spannung. Die Zuschauer waren zufrieden.» Kramnik wird als Weltmeister anerkannt - auch von seinem Vorgänger Kasparow. Trotzdem geht es im Schachsport derzeit so unübersichtlich zu und her wie im Boxen mit all seinen Verbänden und Weltmeistern. Kramnik verspricht, sich um diese Verwirrung zu kümmern, sollte er seinen Titel verteidigen. ½Nach dem Match werde ich die Situation analysieren und die nötigen Schritte einleiten.»