Hallo Schachfreunde, heute möchte ich Euch einen interessanten Zeitungsartikel nicht vorenthalten, den ich im Internet gefunden habe. Viel Spaß beim Lesen wünscht Toni aus Augsburg Frankenpost Online vom 24.01.2005 Wenn sich Schach nur im Kopf abspielt VON JAN FISCHER An der Fachhochschule Hof gibt es eine große Auswahl an "allgemeinen Wahlpflichtfächern": Von Amateurfunktechnik bis zu "Do it herself" - einem Autokurs für Frauen - reicht die Bandbreite. Im Wintersemester stand erstmals Schach auf dem Stundenplan. Zum Abschluss erfuhren die Studierenden von einem Meister des königlichen Spiels allerlei Wissenswertes und Verblüffendes rund ums Schach. HOF - Ludwig Zier ist blind - und trotzdem ein herausragender Schachspieler. Der Wunsiedler hat den Titel des Internationalen Fernschachmeisters errungen, war vier Mal deutscher Meister im Blindenschach. "Ich spiele die Partien im Kopf", verrät er den staunenden jungen Leuten im FH-Lehrsaal "B 007". Wie es funktioniert, wenn er Schach im Kopf spielt, demonstriert er aufs Eindrucksvollste. Drei Bretter werden aufgebaut, Zier hat keine Hilfsmittel. Die Studierenden sagen ihren Zug an, Zier nennt nach kurzem Überlegen seinen Antwortzug. So geht es von Brett zu Brett, wie die Figuren stehen, hat Ludwig Zier stets vor seinem geistigen Auge. Drei Partien gleichzeitig - das macht ihm keine Mühe. "Mein Rekord ist es, an zehn Brettern zur gleichen Zeit zu spielen." Die Gegner diskutieren, gestikulieren und beraten sich. Doch schon bald geht am ersten Brett eine Figur verloren. Der Blindenspieler sitzt ruhig und entspannt da, nimmt hin und wieder die Hand ans Kinn, scherzt sogar noch: "Wenn's Ihnen zu schnell geht, können wir gern eine kurze Pause einlegen." 15, 20 Minuten geht das so. Dann hat Zier ordentliche Positionen erreicht und beendet die Demonstration auf charmante Art: "Ich biete an allen drei Brettern Remis." Die Kontrahenten nehmen das Angebot dankend an. Joachim Süß aus Lauf ist einer von einem guten Dutzend Studierenden, die sich fürs Wahlpflichtfach Schach entschieden haben. In dem Denksport sehe er "die Herausforderung, sich ohne Körpereinsatz mit jemandem messen zu können", sagt er. Seit Oktober habe er, der angehende Medieninformatiker, viel über Schach erfahren. Insgeheim habe er gehofft, mit diesem Fach sei weniger Mühe verbunden als mit anderen - aber dem sei nicht so gewesen. In den zwölf Seiten, die er zum Abschluss schreiben musste, stecken mehrere Stunden Arbeit. Bei allem Spaß am Spiel war nämlich auch eine "Prüfungsleistung" zu erbringen, erklärt Professor Dr. Jörg Scheidt, der zusammen mit Professor Dr. Michael Seidel das Schachangebot ins Leben gerufen hat. "Die Studierenden mussten eine selbst gespielte Partie analysieren." Analyse - das bedeutet, jeder einzelne Zug einer Partie wird genauestens untersucht, ob er gut oder schlecht ist. ------ Blinde Spieler brauchen enorme Konzentration ------ Logisches Denken sei beim Schach gefragt, betont Scheidt. Aber auch Verbindungen zur Mathematik und zur Informatik seien in den vergangenen Monaten entdeckt worden. Bis hin zur Frage: "Wie denkt ein Mensch im Unterschied zu einem Schachprogramm?" Über den Einfluss von Computern spricht auch Ludwig Zier. Bei Fernschach- und E-Mail-Turnieren kämen immer mehr und immer stärkere Rechner zum Einsatz. Deshalb habe er sich aus dem Schach per Post mittlerweile zurückgezogen, obwohl er zuletzt im Halbfinale der E-Mail-Weltmeisterschaft stand. Was die Studierenden besonders interessiert: Wie kann ein blinder Mensch so gut Schach spielen? Dazu sei enorme Konzentration erforderlich, sagt Ludwig Zier. Auf einem eigenen kleinen Brett "ertastet" er sich die jeweilige Position. Nach mehr als vier Stunden Spielzeit sei mehr geistige Anstrengung nötig als bei Sehenden. Zier berichtet von Großmeistern, die auch eine große Zahl von Partien im Kopf speichern können. "Die spielen in einem Simultanturnier 30 Partien gleichzeitig - und später können sie einzelne Partien noch komplett wiedergeben." Dass Schach harte Kopf-Arbeit sein kann, haben die Studierenden schon im Laufe des Semesters erfahren. Am wichtigsten sei regelmäßiges, gezieltes Training, sagt Zier, der in Wunsiedel eine Schachabteilung gegründet hat, Schulschachmannschaften leitet und dessen Sohn Oliver erst vor kurzem bei der Jugend-WM auf Kreta mitspielte. "Wenn ich im Schach weiterkommen will, muss ich mich täglich mit Schachtaktik beschäftigen." Schachtaktik, das seien die Situationen, "wenn die Stellung aus dem Gleichgewicht gerät". In diesem Moment könne ein Spieler einer Partie noch eine unerwartete Wendung geben, seinen Gegenüber durch eine Finte reinlegen. Wie das geht, steht in 800 Büchern und zahlreichen Lern-CDs, die Ludwig Zier zu Hause hat. ------ Ab Oktober gibt's eine Neuauflage ------ Dann geht's an den praktischen Teil. Jetzt dürfen die Kursteilnehmer bewiesen, was sie gelernt haben. An einzelnen Beispielen vermittelt Zier ein bisschen Schach-Philosophie: "Man muss bis zuletzt konzentriert spielen." Und: "Schach ist oft eine gerechte Sache; es gewinnt nicht immer der, der mehr Figuren hat." Von Opposition, Bauern-Quadrat, Grundlinien-Schwächen, Mattmotiven und Verstellungen handeln die Beispiele. Die Studierenden kommen ins Grübeln, finden aber meist die besten Züge. "Das ist bestimmt wieder so ein Opfer", meint einer. "Genau ins Schwarze getroffen", freut sich Zier. Manchmal kann es erfolgversprechend sein, die wertvollste Figur, die Dame, herzugeben, um so zum Erfolg zu kommen. Nach diesen Studien sagt auch Michael Seidel, der zusammen mit seinem Kollegen Scheidt in der Regionalliga-Mannschaft des PTSV-SK Hof spielt: "Da habe ich noch was lernen können." Und weil die Schach-"Vorlesungen" für alle Beteiligten so lehrreich waren, wird es im Wintersemester 2005/06 eine Neuauflage geben. Die Dozenten wissen, wie nun auch die jungen Leute, die das Wahlpflichtfach belegt haben: Schach ist Sport. "Nur wer körperlich fit ist, hat auf höherer Ebene eine Chance, sich durchzusetzen", sagt Ludwig Zier. Untersuchungen hätten ergeben, dass Schachkönner ähnliche Herzfrequenzen wie Fußballer aufwiesen. Der Blindenspieler spricht von psychischer Erschöpfung nach längeren Turnieren. "Es wäre vielleicht manchem zu empfehlen, dass er ein Schachturnier spielt, wenn er abnehmen möchte."