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Info-Mail Schach Nr. 421


Hallo Schachfreunde,

eigentlich wollte ich nach den täglichen Mails aus Bad Wörishofen erst mal
ein wenig kürzer treten, was den Versand von Info-Mail Schach angeht. Als
ich aber gestern in meinen übervollen Mail-Briefkasten sah, fand ich die -
vielleicht - sensationellste Schachmeldung dieses Jahres. Da möchte ich Euch
natürlich darüber informieren. Unten findet Ihr einen Artikel, der von
Hartmut Metz in der "TAZ" veröffentlicht wurde.

Gleichzeitig möchte ich die Gelegenheit ergreifen, um einen Schnitzer
meinerseits auszuwetzen. Hatte man seitens der Turnierleitung in Bad
Wörishofen Frank Schellmann durch Falscheingabe eines Ergebnisses schon
einen halben Punkt vorenthalten (der halbe Punkt wurde xnatürlich hinterher
wieder gutgeschrieben), so habe ich bei meinem Schlussbericht das nämliche
mit unserem Frank angestellt. Ich meldete, dass er 4,0 Punkte aus den 9
Runden erreichte, das ist aber falsch. Frank Schellmann kam ebenso wie André
Schlierf und Peter Kuhlmann auf 50 %.

Einen schönen Sonntag wünscht
Toni (wieder aus Augsburg)

taz 12.3.2005 Schach dem Putin

Schach dem Putin

Mit 41 Jahren fühlt sich Garri Kasparow zu alt für Profi-Schach und will
stattdessen in die Politik einsteigen

BERLIN taz
 Die Emotionen übermannten Garri Kasparow. Der beste Schachspieler aller
Zeiten machte seine letzten Züge im spanischen Linares, bevor er sein
Geheimnis
lüftete. Ohne diese aufrührenden Momente hätte der 41-Jährige gegen den
Bulgaren Wesselin Topalow leicht das Remis erzwungen. Doch Kasparow war in
einer
ausgeglichenen Stellung nicht mehr Herr seiner Sinne und wickelte ohne Not
ein Bauernendspiel ab, das er verlor. Im 30. Zug reichte der Russe zum
Zeichen
der Aufgabe die Hand über das Brett und erklärte dann seinen Rücktritt vom
Profi-Schach. "Ich sehe keine sportlichen Ziele mehr für mich", befand
Kasparow.
Er will in Zukunft "vielleicht noch zum Spaß ein paar Schnellschach-Partien
spielen". Der Weltranglistendritte Topalow hatte schon vor dem Abgang
geahnt:
"Es ist klar, dass keiner von uns das erreichen wird, was Kasparow
erreichte - aber das Alter lastet auf ihm."

Bereits zuvor hatte Kasparow als Gewinner des Turniers in Linares
festgestanden. Die Plätze dahinter gingen an Topalow, Viswanathan Anand und
Peter Leko.
Fünfter wurde Michael Adams. Der Brite hatte zwei Tage zuvor als letzter
Großmeister Kasparows Genie zu spüren bekommen. Mit einem brillanten Wirbel
richtete
ihn das "Ungeheuer von Baku" in nur 26 Zügen hin. Danach fühlte sich
Kasparow ausgebrannt: "Die Rückrunde empfand ich wie den Countdown einer
Rakete bis
runter auf null. Jeden Tag fürchtete ich mich vor einem schlimmen Schnitzer.
Nur am letzten Tag, als ich als Sieger feststand, dachte ich nicht mehr an
einen Patzer - und prompt passierte er."

Was für Boris Becker Wimbledon im Tennis, ist für den Weltranglistenersten
im Schach Linares: sein Wohnzimmer. Der Moskauer mit dem großen
Kämpferherzen
baute dort seine beeindruckende Bilanz auf 72 Siege aus. Nur sieben
Niederlagen musste Kasparow quittieren. Bei 14 Teilnahmen in Linares siegte
er neunmal.

Der Juniorenweltmeister von 1980 in Dortmund feierte in seiner Karriere
grandiose Erfolge. Zwei Jahrzehnte lang führte der charismatische
Großmeister ununterbrochen
die Weltrangliste an. Im Herbst 1985 erklomm der am 13. April 1963 geborene
Bakuer als 13. Weltmeister den Schach-Thron. Dem Sieg über Anatoli Karpow
sollten
noch zahlreiche weitere gegen seinen russischen Erzrivalen in WM-Zweikämpfen
folgen. Letztlich wurde Kasparow die Geister nicht mehr los, die er selbst
rief: Mit Eröffnungsdatenbanken, die inzwischen Millionen Partien enthalten,
trieb der Moskauer die Vorbereitung auf die Spitze. Die ersten 15, 20 Züge
spulen die Asse heute dank aufwändiger Computer-Analysen einfach herunter.
Es gibt immer weniger Überraschungen. Kasparow sorgte auch mit seinen
millionenschweren
Wettkämpfen gegen Computerprogramme für Aufsehen. Ausgerechnet er war 1997
der erste Weltmeister, der im Turnierschach einem Rechner unterlag. Wie in
Linares
kollabierte Kasparow gegen Deep Blue in der letzten Begegnung.

Den Weltmeistertitel verlor er 2000 an seinen Landsmann Wladimir Kramnik.
Sieben Jahre zuvor hatte er die Schachwelt gespalten und den Titel in
Eigenregie
vermarktet. Kramnik wollte ihm ohne Qualifikationsteilnahme keine Revanche
geben. An den Weltverband Fide hatte sich Kasparow zwar zwischenzeitlich
angenähert,
das Duell mit deren Champion Rustam Kasimdschanow platzte jedoch mangels
eines Geldgebers. Mit ein Grund für Kasparows Abschied.

Altersweisheit scheint das ergraute Genie ergriffen zu haben. Laut dem
englischen Schachportal The week in chess schreibt sich Kasparow "die große
Krise
in der Schachwelt" selbst zu. "Ich hoffe, dass mein Abschied dazu beiträgt,
dass die Schach-Welt wieder in ruhiges Fahrwasser gerät. Ich fühle, dass ich
nicht mehr dazugehöre."

Der 41-Jährige will nun zunächst die Bestseller-Buchreihe über seine zwölf
Vorgänger auf dem WM-Thron beenden. Zudem gedenkt er sich in der russischen
Politik
zu engagieren. "Ich glaube, jede anständige Person muss Widerstand gegen
Diktator Wladimir Putin leisten", äußerte Kasparow, bevor ihn wieder
Sentimentalität
ob der alten Bilder in der Hotel-Lobby, die ihn 1990 in Linares mit
pechschwarzen Haaren zeigen, ergriff: "Ich wollte mich mit Stil
verabschieden und mir
nochmals selbst beweisen, dass ich besser als die anderen spiele." Beides
ist Garri Kasparow in seinem Wohnzimmer gelungen." HARTMUT METZ

taz Nr. 7613 vom 12.3.2005, Seite 23, 145 TAZ-Bericht HARTMUT METZ

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