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Info-Mail Schach Nr. 486


FIDE WM 2005 -Freitag, 07.10.- Ruhetag

Zeit für einen Überblick
Quelle: (
www.chessbase.de/ )

Am Freitag herrscht Ruhe bei der WM in San Luis, und die Teilnehmer können
sich einen Tag ausruhen, bevor das Turnier in die Schlussphase geht. Und
obwohl Topalov, der das Feld mit 7 Punkten aus 8 Partien mit zwei Punkten
Vorsprung anführt, bereits wie der sichere Sieger und designierte
Weltmeister aussieht, versprechen die letzten sechs Runden einiges an
Spannung. Abgesehen davon, dass der Bulgare einen Einbruch erleiden könnte,
fragt man sich, ob er weiter so stark und kämpferisch spielen kann und wird
wie in der ersten Hälfte des Turniers. Und auch wenn Topalov das Turnier
sicher nach Hause bringen sollte, deuten die bisherigen Partien darauf hin,
dass in San Luis weiter aufregendes Schach gespielt werden wird. Denn
bislang war die Remisquote mit 44% für einer Turnier dieser Stärke
ungewöhnlich niedrig. Mehr Zahlen und Impressionen von der achten Runde
folgen im Überblick. Samstag um 20 Uhr geht die WM weiter. Live auf dem
Fritz-Server.

Ein paar Zahlen:
32 Partien wurden in San Luis bereits gespielt, 11 davon gewann Weiß, 7
Schwarz, das ergibt eine Remisquote von 44%. Auffällig bei den Schwarzsiegen
ist allerdings, dass nicht weniger als 4(!) davon, also mehr als die Hälfte
aller Schwarzsiege, auf das Konto von Topalov gehen. Mit anderen Worten: Er
hat bislang alle seine Schwarzpartien gewonnen, während er mit Weiß "nur"
zwei Siege und zwei Remis erzielt hat. Und auch wenn die relativ geringe
Anzahl der Partien keine ausreichende Basis für zuverlässige Aussagen
bietet, so legt dieses Ergebnis doch den Schluss nahe, dass eine der Stärken
von Topalov die Bereitschaft ist, mit Schwarz und mit Weiß auf Sieg zu
spielen. In San Luis scheint sich diese kämpferische Einstellung
auszuzahlen.
Bemerkenswert ist auch, dass die Teilnehmer in San Luis eine ausgesprochene
Vorliebe für 1.e4 haben. Nicht weniger als 28 von 32 Partien wurden so
begonnen, wobei die 7. Runde bislang den Höhepunkt für alle Anhänger von
1.e4 bedeutete. In allen vier Partien geschah 1.e4 und in allen vier Partien
gewann Weiß. Bedenkenswert für fanatische 1.e4-Parteigänger sollte
allerdings sein, dass Topalov bislang drei Mal zu 1.d4 gegriffen hat und nur
einmal zu 1.e4. Ein weiteres interessantes Phänomen des Turniers und ein
Indiz für die kämpferische Stimmung der Teilnehmer ist übrigens die relativ
hohe Zahl an Qualitätsopfern.

Die achte Runde:
In der 8. Runde brachte Topalov 1.d4 allerdings keinen Erfolg. Peter Leko
glich mühelos aus und schien in der Schlussstellung sogar das etwas
leichtere Spiel zu haben. Es verblüfft, dass er nicht noch ein paar Züge
weiter gespielt hat, um Topalov zu testen ohne nennenswerte Risiken
einzugehen.
Mit diesem Remis stabilisierte Leko sein Ergebnis und bleibt weiter bei 50%,
was ihm in Anbetracht seines katastrophalen Starts in das Turnier vielleicht
entgegen kam. Aus den letzten vier Runden holte er immerhin 2,5 Punkte, drei
Remis und ein Sieg. Spielt er weiter so, wird er zwar nicht Weltmeister,
landet aber doch noch recht weit vorne.
Gut im Rennen liegt Peter Svidler. Er hat zwei Punkte Rückstand auf Topalov,
und mit etwas Glück könnte er dem Bulgaren sogar noch einen Kampf um den
Titel liefern. Ein Sieg in der achten Runde gegen den angeschlagenen Adams
hätte dabei sicher geholfen. Aber tatsächlich schien es, als ob Adams, der
einer Zugwiederholung auswich, die besseren Chancen haben würden. Am Ende
wurde die Partie schließlich Remis.
Damit bleibt Adams der einzige Spieler ohne Sieg. Immerhin liegt er nach
seinem Remis gegen Svidler nicht mehr auf dem letzten Platz, denn mit dem
halben Punkt zog Adams an Judit Polgar vorbei, die gegen Anand verlor.
Die Niederlage war für Judit Polgar besonders bitter, weil sie bereits in
der Eröffnung ins Hintertreffen geraten war. Zwar wehrte sie sich tapfer und
kam zu mehr Gegenspiel, als ihr Anand wahrscheinlich hätte erlauben sollen,
aber am Ende konnte Anand doch alle Drohungen parieren und sein materielles
Übergewicht zur Geltung bringen. Nach dem schönen Sieg gegen Kasimdzhanov
lief für Judit Polgar nicht mehr viel zusammen. Die Niederlage gegen Anand
war die zweite in Folge und wahrscheinlich wird sie in den nächsten Runden
versuchen, Schadensbegrenzung zu betreiben.
Auch für Anand verlief das Turnier enttäuschend. Als Favorit war er in San
Luis an den Start gegangen, jetzt rangiert er nach 8. Runden knapp über 50%
und hat 2,5 Punkte Rückstand auf Topalov. Aber vielleicht läutet seine
Partie am Samstag gegen Topalov ja die Wende ein. Da das bisherige Spiel des
Inders allerdings nicht so sicher wirkte wie sonst, fällt es schwer, daran
zu glauben.
Für Alexander Morozevich brachte der Sieg in der 8. Runde gegen Kasimdzhanov
eine Wende im Turnier. Es war sein zweiter Sieg in Folge und damit hat er
die 50% Marke erreicht. Wenn er so weiter macht, könnte er weit vorne landen
und damit die Erwartungen erfüllen, die viele Anhänger seines kreativen
Spiels in ihn gesetzt haben.
Für den amtierenden Fide-Weltmeister Rustam Kasimdzhanov war die Niederlage
gegen Morozevich bitter. Er hatte mutig die Qualität geopfert, dann aber in
Zeitnot die wohl beste Fortsetzung verpasst. Die Euphorie, die nach dem Sieg
gegen Anand herrschte, ist mittlerweile verflogen. Mit 3 Punkten aus 8
Partien liegt er in der unteren Hälfte der Tabelle und muss sehen, dass er
nicht noch weiter abrutscht.
Samstag, 20 Uhr geht es weiter. Die Spitzenpaarung der Runde ist natürlich
Anand gegen Topalov. Wenn Anand hier gewinnt, könnte das Rennen um den
WM-Titel noch einmal spannend werden. Judit Polgar tritt gegen Michael Adams
an und während Adams womöglich auf seinen ersten Sieg hofft, könnte Judit
versuchen, Adams die rote Laterne des Tabellenletzten zwangsweise zu
überreichen. Peter Svidler hofft in seiner Partie gegen Rustam Kasimdzhanov
wahrscheinlich auf einen Sieg, um seine gute Position weiter auszubauen und
in der Partie Morozevich gegen Leko wird sich zeigen, ob die kreativen Ideen
des Russen oder die solide, fundierte Spielweise Lekos mehr Erfolg haben. In
jedem Fall verspricht die neunte Runde wieder viel Spannung.

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