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Info-Mail Schach Nr. 544


Münchner Schachakademie
(von Dr. Helmut Pfleger in "Die Zeit")

Seit zwei Monaten hat die »Münchner Schachakademie½ ihre Tore für die
Öffentlichkeit geöffnet. Wie ich dem Prospekt entnehme, »können vom
Einsteiger ohne jegliche Vorkenntnisse bis hin zum erfahrenen Vereinsspieler
alle Altersstufen in gehobenem Ambiente Schach lernen und trainieren½.

So weit verständlich. Nur: Wie definiert sich das »gehobene Ambiente½? Ist
das für Schachspieler nicht eine contradictio in adjecto, wie Franz Josef
Strauß zu sagen pflegte? (Den ich der Schachleidenschaft immer für
unverdächtig hielt, bis ich las, dass er als eines von drei Dingen ein
Schachbrett mit auf eine einsame Insel nehmen wollte.) Will man sich also
von verrauchten Hinterzimmern irgendwelcher billiger Gaststätten absetzen,
in denen so viele Schachvereine ein oft kümmerliches Dasein fristen?

Die Münchner Großmeister Stefan Kindermann und Gerald Hertneck sind die
Aushängeschilder der Akademie. Allerdings spielen beide in der Bundesliga
für den TV Tegernsee. Vielleicht wollen sie ja durch eine erfolgreiche
Arbeit an ihren Zöglingen von 8 bis 80 der Schachdiaspora München wieder zu
einem neuen Aufschwung verhelfen, so wie damals, als der Pressesprecher des
FC Bayern München angesichts der wiederholten deutschen Meistertitel der
Schachabteilung noch stolz verkündete: »Die Bayern haben's nicht nur in den
Füßen, sondern auch im Kopf!½ Wohlgemerkt, da halfen Kindermann und Hertneck
kräftig mit, bis ein gewisser Franz Beckenbauer befand: »Die Klötzleschieber
brauch' mer net!½

Aber vielleicht brechen die goldenen Schachzeiten in München ja wieder an,
und Uli Hoeneß besucht sogar ein vom NLP-Master Kinderman angebotenes
Seminar über »Denkstrategien der Großmeister für Organisation und
Management½ oder schickt Trainer Felix Magath, der viele Gemeinsamkeiten
zwischen Fußball und Schach sieht, seine Spieler zum Kurs
über »Kaltblütigkeit unter Zeitdruck und Stress½?

Der Prospekt verspricht noch mehr: »Regelmäßiges Schachspielen reduziert das
Alzheimerrisiko um 74 %½. Also nichts wie hin!

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