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Info-Mail Schach Nr. 823


12. Internationale offene deutsche Meisterschaft im Blindenschach

(Ein persönlicher Erlebnisbericht von Detlef Kaiser, Euskirchen)

Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen und die internationale offene
deutsche Meisterschaft im Blindenschach auch. So reisten wir, meine Frau,
mein Führhund und ich, bei strahlendem Sonnenschein am Pfingstsamstag den
10. Mai in Rengshausen an. Ich war schon sehr gespannt auf das, was mich
dort erwarten würde.

Im vollbesetzten 3 Sterne Hotel Haus Sonneneck bezogen wir unsere Zimmer und
richteten uns für die kommenden Tage ein.

Das Hotel liegt zirka 35 km südlich von Kassel im Knüllwald. Es verfügt über
80 Betten, Restaurant, Kaffeeterrasse, Sonnenterrasse, Hallenbad, Sauna,
Fitnessraum (alles kostenlos). Im Hotel war Halbpension gebucht,
reichhaltiges Frühstücksbuffet von 7 bis 9.30 Uhr, Abendessen mit
Salatbuffet und 2 Menüs zur Wahl um 19 Uhr. Die sehbehinderten
Schachspielerinnen und Schachspieler und die sehenden Begleitpersonen
bedienten die blinden Teilnehmer.

Das Hotel liegt direkt am Wald oberhalb des Ortes Rengshausen. Es gibt viele
Wege, die für Rollstuhlfahrer, Blinde, Hundebesitzer und Wanderer gut
geeignet sind.

Beim Abendessen begrüßte Manfred Müller die Gäste und bat sie, nach dem
Essen in den Konferenzsaal im Untergeschoss zu kommen und die Schachuhren
mitzubringen. Er war der Organisator und Gesamtleiter dieses Turniers.
Ludwig Beutelhoff, der DBSB-Vorsitzende, sprach ebenfalls einige Worte zur
Begrüßung an die versammelte Schachgemeinde. Um viertel vor 9 trafen sich
alle 26 Spieler im Raum Kirschbaum, um den offiziellen Teil zu beginnen.
Hier wurden zuerst die Formalitäten, Finanzen und Fragen geklärt, bevor man
zur Aufstellung der ersten Paarungsrunde kam. Es wurden 3 Spieler
vorgeschlagen und gewählt, die dem Schiedsrichter in Schiedsfällen zur Seite
stehen sollten. Es waren Oliver Müller, Eckhard Kröger und Gert Schulz.
Günter Thieme und Reinhard Kehl waren die Ersatzleute. Leider musste unser
Schachfreund Peter Staubach kurzfristig absagen, so dass nur noch 25 Spieler
an diesem Turnier teilnahmen. Die Spieler wurden nach ihrer Spielstärke
gesetzt und es wurde in 7 Runden Schweizer System gespielt. Der stärkste
Spieler hatte eine DWZ von 2231 und der Schwächste von 919. So kam es, dass
ich in meiner ersten Runde direkt einen sehr schweren Gegner, Dieter
Bischoff, hatte. Der gesamte DBSB-Vorstand war ebenfalls angereist und
hielt, nachdem die Spieler den Konferenzraum verlassen hatten, eine lange
Vorstandssitzung ab.

Am Pfingstsonntagmorgen haben wir schon um halb 8 Uhr genüsslich und
ausführlich gefrühstückt. Danach machten wir mit dem Hund unter einem
strahlend blauem Himmel einen ausgedehnten Spaziergang, um die nähere
Umgebung kennenzulernen. Unweit des Hotels war eine schöne alte Wassermühle,
die heute zur Stromerzeugung genutzt wird und bewohnt ist. Etwas weiter
entfernt fanden wir einen Rastplatz mit einer Wassertretstelle. Um 13.30 Uhr
begann die erste Runde. Wie erwartet, verlor ich dieses Spiel nach knapp 4
1/2 Stunden, indem ich aufgab. Alle Topspieler hatten ihre Spiele gewonnen,
was auch so zu erwarten gewesen war. Nach dem Abendessen gab Rolf Thurm, der
Turnierschiedsrichter,  die Paarungen für den nächsten Tag bekannt. Als ich
erfuhr, dass ich in der zweiten Runde mit weiß gegen Elisabeth Fries spielen
sollte, dachte ich sofort an unseren Kampf in Altenburg 2007. Damals im
Mannschaftskampf haben wir knappe 6 Stunden gespielt, und es kam doch nur
ein Remis heraus.

Auch am Pfingstmontag waren wir schon früh im Speisesaal. Von hier aus hatte
man einen wunderschönen Blick auf die blühenden Rapsfelder, grünen Wiesen,
Hecken, Wälder und Berge ringsumher. So sahen wir auch, wie Günter Thieme
mit seinem Freund Andreas Ilic vom Frühsport zurück kam. Nach dem Frühstück
gingen wir mit meinem Führhund Charly spazieren, brauchte er doch seinen
regelmäßigen Auslauf.

Anlässlich des Deutschen Mühlentages fand in der Knottenmühle ein
Freiluft-Gottesdienst statt, bei dem wir auch Wolfgang und Ursula Selig
trafen. Gemeinsam gingen wir anschließend durch den winzigen Ort
Rengshausen, der nur 2 Geschäfte hatte, und dann zurück ins Hotel. Auf der
Kaffeterrasse fanden wir das Geburtstagskind Herbert Lang mit seiner Familie
vor. Viele aus unserer Gruppe saßen hier, um die Sonne, ein Eis oder ein
Getränk zu genießen. Pünktlich um 13.30 Uhr begann die zweite Runde, jedoch
mit einer Hiobsbotschaft. Angela Vollbrecht, unsere Fernschach
Turnierleiterin, musste plötzlich in die Klinik gebracht werden und konnte
nicht mehr am Turnier teilnehmen. Das war doch höchst bedauerlich.

Elisabeth spielte mit mir die Caro-Kann-Verteidigung. Es war ein sehr
wechselvolles Spiel, am Ende kam aber doch nur ein Remis heraus. Am Abend
dieses Tages gab es 4 Spieler mit je 2 Punkten. Wie am Tag zuvor gab Rolf
Thurm die nächsten Paarungen beim Essen bekannt. Mein dritter Gegner war
Wolfgang Selig, der auch Remiskönig genannt wird. Er und ich, wir hatten
jeweils einen halben Punkt. An diesem Abend sammelte Manfred Müller das
Startgeld in Höhe von 20 € ein. Der Abend klang dann für manchen morgens um
halb eins freucht-fröhlich aus.

Der Dienstagmorgen begann stark bewölkt. Doch noch im Laufe des Vormittags
schaffte es die Sonne, die Wolken zu vertreiben. Pünktlich zur angesetzten
Spielzeit kämften wir alle wieder um einen Punkt. Diesmal hatte ich die
Möglichkeit, ein Remis zu spielen, doch habe ich dann mehr gewagt. Aber wie
heißt es doch so schön, wer wagt, der verliert. Inzwischen war auch Detlef
Neukirch angereist und beobachtete die Spiele und die Spieler. Am Ende
dieses Turniertages gab es eine kleine Überraschung. Jürgen Pohlers hatte
den Fidemeister Oliver Müller besiegt. Somit waren nur Dieter Bischoff und
Jürgen Pohlers noch ungeschlagen. Da Anton Lindenmair wieder nach Hause
gefahren war, wurden die Ergebnisse und Paarungen per Telefon übermittelt.
Deshalb wurden sie mit kleiner Verzögerung nach dem Essen verkündet. Diesmal
hatte ich Daniel Eiffert als Gegner bekommen. Er war für mich noch völlig
unbekannt. Doch wie ich hörte, sollte man ihn nicht unterschätzen. Um 22 Uhr
trafen wir uns im Speisesaal und haben zu fünft gekniffelt, ein anderer
spielte Gitarre. Dazu wurde ein wenig gesungen und viel getrunken.

Das Wetter war am Mittwoch Vormittag immer noch sehr schön, und so fuhren
wir zu viert in den Freiwildpark in Homberg-Allmuthshausen. Zur
festgesetzten Spielstunde kämpfte ich mit hohem Risiko. Doch den anfänglich
gewonnenen Bauern konnte ich nicht halten. Nur durch eine Unachtsamkeit von
Daniel gelang es mir, ihn matt zu setzen. Dieter Bischoff hatte Jürgen
Pohlers geschlagen und war somit alleiniger Spitzenreiter. Frank Schellmann
war mit 3,5 Punkten Zweiter. An diesem Abend erfolgte die Bekanntgabe der
Paarungen noch später als gewöhnlich. Von einer Liste, die im Hotel aushing,
las mir meine Frau vor, dass ich gegen Werner Fries antreten musste. Gegen
ihn hatte ich auch noch nie gespielt. Wieder saßen einige Spieler in
geselliger Runde bis spät abends zusammen.

Donnerstag Vormittag, der erste Regen fiel. Aber es war immer noch sehr
warm. Werner eröffnete das Spiel mit einem Königsgambit und beherrschte die
ganze Zeit über das Spiel. Somit hatte ich auch diese Partie verloren. Das
Spitzenspiel zwischen Frank und Dieter ging Remis aus. Dadurch war Dieter
Bischoff noch immer ungeschlagen. Frank Schellmann musste sich den zweiten
Platz mit weiteren Konkurenten teilen. Draußen grummelte das Gewitter seit
Stunden aus der Ferne mit ab und zu etwas Niederschlag. Am nächsten Tag
sollte ich mit Schwarz gegen Ursula Selig spielen.

Der Freitagmorgen war stark bewölkt und von den Bäumen tropfte der Regen aus
der Nacht noch ab. Die Luft war frisch und angenehm. Meine Frau, mein
Führhund und ich, wir machten einen gemütlichen Spaziergang durch die Berge.
Anschließend ging ich zu Detlef Neukirch, um ihm meine Notation von dem
Spiel mit Werner Fries zu übergeben. Er sammelt alle auf diesem Turnier
gespielten Patien ein und archiviert sie im Computer. Ursula und ich
spielten ab halb zwei nur 35 Minuten. Ich setzte sie dann im 36. Zug matt.
Sie hat sich wacker gehalten. Da das Wetter inzwischen wieder schön geworden
war und wir viel Zeit übrig hatten bis zum Beginn des Abendessens, fuhren
wir zu Dritt auf das Knüllköpfchen. Dort oben standen einige Windräder, die
zu meiner Überraschung kaum Geräusche machten. Ich stand fast am Fuß eines
Windrades und hörte nur leises Zischen. Bei Kafffe und Kuchen liesen wir es
uns in der Jugendherberge gut gehen. Innerhalb von 20 Minuten mit dem Auto
waren wir wieder zurück im Hotel. An diesem Abend gab es eine kleine
Überraschung. Andres Ilic hatte Dieter Bischoff geschlagen. Das bedeutete,
dass Frank Schellman mit einem halben Punkt vorne lag. Um 21 Uhr verlas Rolf
Thurm die letzte Paarung für Samstagmorgen. Mein nächster Gegner für diesen
Morgen war Birgit Dietsche. Sie hatte wie ich 2,5 Punkte und eine
Feinwertung von 12,5 Brettpunkten.

Um 10 Uhr am Samstagmorgen begann diesmal das Spiel. Ich begann mit einem
Schottischen Gambit und beherrschte die ganze Zeit das Spiel. Im 30. Zug gab
sie auf. Das Wetter an diesem Tag war sehr wechselhaft. Trotzdem fuhren wir
nach Homberg auf die Burgruine, wo es den dritttiefsten Brunnen in
Deutschland gibt. Er ist 150 Meter tief. Das Essen wurde an diesem Abend auf
18.30 Uhr vorverlegt. Es wurde ein reichhaltiges Büffet angeboten.
Anschließend fand die Preisverleihung statt. Erster wurde unerwartet Andreas
Ilic. Er hatte auch das letzte Spiel gewonnen und war somit Sieger dieses
Turniers. Die Siegesprämie von 150 € wurde ihm durch den Vorsitzenden Ludwig
Beutelhoff überreicht. Da gleichzeitig die Deutsche Damenmeisterschaft
stattfand, wurde ebenfalls die Siegerin von Ludwig Beutelhoff mit einer
Urkunde und einer Prämie geehrt. Der Turnierschiedsrichter gab dann noch
einige Zahlen für die Statistik bekannt. Die längste Partie dauerte 5
Stunden und 50 Minuten mit 92 Zügen. Die Kürzeste dauerte 23 Minuten bei 8
Zügen. 36 Mal wurde mit Weiß gewonnen, 28 Mal mit Schwarz und 18 Mal
remisiert. Werner Kranz und Jürgen Pohlers wurden erwähnt, weil sie 2 Mal
unpünktlich zum Spiel erschienen waren. Der älteste Teilnehmer war Reinhard
Kehl mit 70 Jahren, die jüngste Angela Vollbrecht mit 25 Jahren. Wir
erfuhren noch an diesem Abend von Manfred Müller, dass Angela aus dem
Krankenhaus entlassen wurde und wieder zuhause ist. Ich hatte mit 3,5
Punkten meinen Tabellenplatz zwar gehalten, doch war ich unzufrieden mit mir
selbst über meine geringe Brettpunktzahl von nur 19. Viele Spieler, die ich
bislang nur namentlich oder sogar gar nicht kannte, habe ich hier
kennengelernt. Um 21 Uhr begann der gemütliche Teil.

Am Sonntagmorgen verabschiedeten wir uns von all den Schachspielern und
hofften, dass wir uns irgendwann mal wieder auf einem anderen Turnier
treffen würden. Es gab noch andere Schachspieler, die in meinem Bericht hier
nicht erwähnt wurden, doch trugen auch sie zum Gelingen dieses Turniers bei.
Bei leichtem Dunst und etwas Nieselregen fuhren wir wieder nach Hause.

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