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Info-Mail Schach Nr. 940


Romain Edouard gewinnt das 25. Open in Bad Wörishofen
(von Bettina Trabert - Quelle ChessBase)

Mit seinem 25-jährigen Jubiläum gehört das ChessOrg Schachfestival in Bad
Wörishofen in Deutschland zu den Turnieren mit der längsten Tradition. Jedes
Jahr
Anfang März pilgern um die 300 Schachspieler in den berühmten Kneippkurort
im Allgäu, und die meisten von ihnen kommen immer wieder: Fast 90% der
Spieler
sind Stammgäste. Das Erfolgsrezept ist einfach: Bewährte Qualität zu guten
Preisen, ein professionelles Organisationsteam, eine freundliche und
familiäre
Atmosphäre, keine Doppelrunden (heutzutage schon eine Ausnahme) und optimale
Spielbedingungen im geräumigen Kursaal.

In diesem Jahr war das Feld etwas schwächer als sonst, da einige
hochkarätige Turniere wie die Europa-Meisterschaften zur gleichen Zeit
stattfanden. An
Nummer 1 gesetzt war der unermüdliche Wladimir Epischin, ansonsten fehlten
die ganz großen Namen, aber vielleicht sind ja einige darunter, die noch mal
große Namen werden?

Romain Edouard scheint jedenfalls das Zeug dazu zu haben: Nach seinem Sieg
in Bad Wiessee im November bestätigte er auch hier seine Klasse und gewann
das
Turnier mit 7,5 aus 9. Der 18-jährige Franzose zeigte einen taktischen und
kampffreudigen Stil, und auch wenn einige seiner Stellungen zwischendurch
mal
etwas wacklig aussahen, war sein Turniersieg sicherlich verdient.

Der zweite Youngster an der Spitze war Sebastian Bogner, der hier bewies,
dass sein Erfolg beim Pfalz Open im letzten Monat kein Zufall war. Obwohl er
die
zweite Runde verlor, kämpfte er sich danach wieder an die Spitze vor und
belegte schließlich hinter Wladimir Epischin den 3. Platz.

Abgesehen von den "üblichen Verdächtigen" konnte man zeitweise auch andere
Spieler hinter der Absperrung sehen, zum Beispiel Marcel Racherbäumer, der
sich
nach seinem Sieg gegen Alexander Karpatschew eine ganze Weile an der Spitze
hielt, oder den 16-jährigen Max Berchtenbreiter, von dem man sicherlich noch
hören wird.

Aber auch auf der anderen Seite des Saals wird gutes Schach gespielt. In Bad
Wörishofen ist traditionell eine große Zahl blinder und sehbehinderter
Spieler
am Start. Der mehrfache Deutsche Meister Dieter Bischoff konnte sich diesmal
über seinen ersten GM-Skalp freuen, GM Skembris aus Griechenland.

Apropos - es gibt auch Leute, die nur zum Vergnügen Blindschach spielen.
Eines Morgens traf ich im Café neben dem Spielsaal auf Jürgen Wempe und
Nikos Mantzouneas,
einen 83-jährigen Griechen aus Athen, der am Seniorenturnier teilnahm. Es
dauerte eine Weile, bis ich verstand, dass die beiden eine Blindpartie
spielten!
Tatsächlich haben diese morgendlichen Partien schon eine längere Tradition,
wobei der Score in den letzten Jahren ungefähr ausgeglichen ist... Herr
Mantzouneas
erzählte, dass er schon seit über 60 Jahren blind spielt, bei längeren
Reisen hat er immer einige aus Zeitungen ausgeschnittene Partienotationen
dabei,
die er im Kopf nachspielt. Er gab uns (in bestem Deutsch) noch einen
Aphorismus mit auf den Weg: "Der Verstand ist wie eine Fahrkarte - wenn man
ihn nicht
benutzt, ist er wertlos."

Anschließend wurde die Partie am Brett nachgespielt und analysiert. Jürgen
Wempe ist nicht nur Organisator, sondern spielt auch gerne Schach. Dass er
vor
gut 10 Jahren die Organisation der ChessOrg-Turniere übernahm, war
eigentlich ein Zufall. Ein Vereinskollege, der wusste, dass Reinhold
Hoffmann einen
Nachfolger suchte, fragte ihn mehr im Spaß: "Na, wär' das nicht was für
Dich?" Doch Jürgen meinte: "Ja, das wär' was für mich..." Wenn es sich
einrichten
lässt, spielt er seine eigenen Turniere auch gerne mit. Mit einer Elozahl
von rund 2200 ist er bei den Amateurturnieren auch ganz gut mit dabei -
tatsächlich
hat er auch schon mal eines seiner eigenen Turniere (in Oberjoch) gewonnen.

Und wer erledigt dann die ganze Arbeit? Natürlich die Ehefrau: Anke Wempe
schleppt nach der Siegerehrung noch Bretter und Tüten von der Bühne...

Abseits des Schachbretts bietet Bad Wörishofen alle Annehmlichkeiten eines
berühmten Kurorts (z.B. eines der schönsten Thermalbäder Deutschlands).
Tatsächlich
geht die Schachtradition übrigens noch länger zurück als 25 Jahre: Der erste
Weltmeister Wilhelm Steinitz hielt sich hier öfter auf, um sich auf wichtige
Wettkämpfe vorzubereiten: Er war ein großer Anhänger der Kneippschen
Wasserkuren.

Die Hotels und Restaurants sind darauf eingerichtet, dass im März immer die
Schachspieler kommen, und es gibt in dieser Zeit kaum ein Lokal, wo nicht
mindestens
ein Schachbrett auf dem Tisch steht. In unserem Stammhotel Freuschle ist die
Hauswirtin Barbara Ostenried bestens darin geübt, die Paarungen
auszudrucken:
Die im Haus wohnenden Teilnehmer werden farbig markiert und natürlich freut
man sich, wenn die "eigenen" Spieler vorne in den Listen stehen...

Wer "Action" sucht, ist in Bad Wörishofen wahrscheinlich falsch am Platz.
Das Aufregendste im Laufe der 10 Tage war ein Stromausfall während der
fünften
Runde und ein heftiger Wintereinbruch während des Turniers.

Dafür kann man sich nicht beklagen, dass die Schachspieler nicht
wahrgenommen werden. Als Spyridon Skembris am letzten Abend mit einem Brett
unter dem Arm
durch die Fußgängerzone ging, rief ihm eine Passantin zu: "Wo wollen Sie
denn jetzt noch hin mit dem Schachbrett, mein Herr? Das Turnier ist vorbei!"

Aber auch wenn alle Partien beendet sind, hat "Studienmeister" Dieter
Villing mit Sicherheit noch eine knifflige Studie auf Lager, die so manchen
GM zur
Verzweiflung treiben kann...

Zum Beispiel diese: Weiß am Zug gewinnt!
Weiß: Kd3, Df6, Sd5, Ba2, b2, c3, e2, e6
Schwarz: Ka5, Dh3, Sg2, Ba4, b6, c5, g3, h2

Endstand:

Platz Name   Herkunft Pkt. Buch. Feinw.
1. Edouard Romain  IM Frankreich 7.5 55.00   43.00
2. Epishin Vladimir  GM Luebeck 7.0 54.00   42.00
3. Bogner Sebastian  IM Sk Neuhausen 7.0 52.00   39.50
4. Gutman Lev  GM SC Melle 03 7.0 51.50   40.00
5. Karpatchev Alexandr  GM Bad Mergentheim 7.0 51.50   40.00
6. Mainka Romuald  GM SC 1950 Remagen 6.5 55.00   43.00
7. Teske Henrik  GM TV Tegernsee 6.5 54.50   44.50
8. Iotov Valentin  GM Bulgarien 6.5 52.50   42.00
9. Schneider Ilja   Berlin 6.5 50.00   39.50
10. Farago Ivan  GM Budapest 6.5 50.00   39.00
11. Pirrot Dieter  IM SV Hofheim 6.5 49.50   39.00
12. Hess Christian Mathi  FM Hamburg 6.5 48.50   38.00
13. Schulze Ulrich  IM SK Neuhausen 6.0 51.00   39.50
14. Dittmar Peter  FM SC Oberwinden 1957 6.0 49.00   38.50
15. Rahls Peter  FM SK Zehlendorf e.V. 6.0 49.00   38.00
16. Skembris Spyridon  GM SK Freiburg 6.0 48.50   37.50
17. Racherbaeumer Marcel   Sribja Bielefeld 6.0 48.50   37.50
18. Baeuml Ulrich   --- 6.0 47.00   36.50
19. Stabolewski Andreas   Hannover 6.0 46.00   35.50
20. De Francesco Klaus  FM Woerthsee 6.0 46.00   35.00
21. Babar Michael  FM SC Hansa Dortmund 6.0 44.50   35.00
22. Hug Marcel   Zuerich 6.0 44.00   34.00
23. Trabert Bettina FGM SK Freiburg 6.0 41.50   32.00
24. Santl Anton   SU Muenchen 6.0 41.00   32.00

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