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Info-Mail Schach Nr. 1414


"In vier Jahren will er nach dem Titel greifen"
(Quelle: Deutscher Schachbund)

Am gestrigen Donnerstag wurde der Vizeweltmeister im Blinden- und 
Sehbehindertenschach, Oliver Müller daheim in seinem Verein Werder Bremen 
gebührend empfangen und gleich mit einer Trophäe, den stilisierten Bremer 
Stadtmusikanten geehrt. Die werden normalerweise nur Ehrenmitgliedern des 
Vereins überreicht, doch Werder-Präsident Klaus-Dieter Fischer machte für 
Oliver eine Ausnahme.

Werder.TV war beim Empfang dabei und stellte dem Geehrten noch einige 
Fragen. Dabei entstand auch das Zitat in unserem Titel. Und die Bilder von 
Andreas Burblies.

Auch dem Deutschen Schachbund (DSB) beantwortete Oliver Müller einige 
Fragen.

DSB: Oliver, Sie haben einen fulminanten 2. Platz bei der diesjährigen WM im 
Blindenschach hingelegt. Haben Sie annähernd mit diesem Ergebnis gerechnet? 
Wo hätten Sie sich realistischerweise selbst eingestuft bzw. welches wäre 
Ihr Mindestziel gewesen, um zufrieden die Heimreise antreten zu können?

Oliver Müller: Mein Minimalziel bei solchen Turnieren ist immer, den 
Setzlistenplatz zu erreichen, das war bei dieser WM Platz 5. Fest 
vorgenommen hatte ich mir aber, von diesem Turnier nicht mit leeren Händen 
nach Hause zu gehen, also irgendeine der drei Medaillen zu erspielen. Der 
dritte Platz wäre für mich somit auch absolut in Ordnung gewesen.

DSB: Wann war Ihnen klar, dass Sie in Katerini dabei sein werden? Haben Sie 
sich speziell auf die WM vorbereitet, spezielle Trainingseinheiten 
absolviert eventuell sogar einen Trainer angeheuert?

Oliver Müller: Dass ich zur WM fahre, war schon klar, bevor der Termin 
endgültig feststand. Aus meiner Sicht hätte ich mir die Zeit auf jeden Fall 
genommen, und für den DBSB ist es selbstverständlich, seine stärksten 
Spieler zu diesem Wettbewerb zu schicken, zu denen ich ja auch zähle.
Zur Turniervorbereitung habe ich das Osteropen in Norderstedt mitgespielt, 
das war in Bezug auf die Spielpraxis wichtig. Die theoretische Vorbereitung 
fand nur im stillen Kämmerlein statt, da ich für Trainigslehrgänge dann doch 
keine Zeit erübrigen konnte. Einen Trainer zu engagieren kam für mich als 
Amateur bisher nicht in Betracht.

DSB: Sind Sie einfach nur überglücklich, die Silbermedaille erhalten zu 
haben oder gibt es auch Grund zum Ärgern, dass es nicht Gold geworden ist? 
Gab es eventuell eine oder mehrere verpasste Chancen im Spielverlauf, so 
dass unter Umständen sogar der 1. Platz möglich gewesen wäre?

Oliver Müller: In der letzten Runde saß ich an Brett 1, hatte aber einen 
halben Punkt Rückstand auf meinen Gegner. Durch eine Ungenauigkeit in der 
Eröffnung war mir schnell klar, dass hier nicht mehr als ein Remis zu holen 
war, und da der spätere Weltmeister keinen Fehler machte, ist dieses 
Ergebnis auch eingetreten. Von einer verpassten Gewinnchance kann keine Rede 
sein, was für mich auch irgendwie beruhigend ist...
Nach meinem verkorksten Turnierstart hatte ich kaum noch damit gerechnet, um 
den Turniersieg mitspielen zu dürfen. Nachdem ich mich in der zweiten 
Turnierhälfte wieder ans Spitzenfeld herangekämpft hatte, fiel die 
Entscheidung in der 8. Runde, wo ich den Mitfavoriten IM Pachomow bezwingen 
konnte. Vom Turnierverlauf her bin ich mit der Silbemedaille sehr zufrieden 
und trauere nichts hinterher.

DSB: Sie haben sich bei der WM gegen sehr starke Gegner behauptet und das 
erste Mal seit 28 Jahren wieder eine Silbermedaille nach Deutschland geholt. 
Hat Sie dieser Sieg verändert - in Bezug auf Ihre schachlichen Ziele oder 
auch im sonstigen Leben? Oder geht alles wieder seinen gewohnten Gang?

Oliver Müller: Die Vizeweltmeisterschaft im Blinden- und 
Sehbehindertenschach ist ein schöner Erfolg, aber nicht so gewaltig, dass er 
mein Leben verändern könnte. Gefreut habe ich mich über die vielen 
Glückwünsche und die Anerkennung aus meinem Bekanntenkreis. Meine 
Schachfreunde von Werder Bremen haben mir kürzlich einen richtigen Empfang 
bereitet und eine kleine Feier organisiert, die mich ziemlich sprachlos 
machte, was nicht so oft vorkommt. Nach ein paar Wochen wird wieder absolute 
Normalität einkehren. Als schachliches Ziel habe ich mir gesetzt, in diesem 
Jahr meine zweite IM-Norm zu erspielen, wozu mich der gerade erreichte 
Erfolg natürlich sehr motiviert.

DSB: Was machen Sie, wenn Sie nicht Schach spielen?

Oliver Müller: Beruflich arbeite ich als CAD-Konstrukteur in einem 
Ingenieurbüro für Maschinenbau. Wenn ich in meiner Freizeit kein Schach 
spiele, arbeite ich ehrenamtlich als 2. Vorsitzender im Blinden- und 
Sehbehindertenverein Bremen e.V. und mache Musik am Klavier.

Vielen Dank für das Gespräch!

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