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Info-Mail Schach Nr. 1421


Schach spielen ohne sehen zu können
(von Alina L'Ami auf chessbase.de)

30.07.2014

Wer sehen kann, kann sich nur schwer vorstellen, wie es ist, wenn man das 
Augenlicht verloren hat. Wie man trotz aller Schwierigkeiten damit umgeht, 
blind zu sein, zeigt Lucas de Jong. Er ist 21 Jahre alt, studiert BWL und 
spielt im NK Open in Dieren. Jeden Tag kommt er mit seinem Blindenhund Okie 
zum Turnier. Alina L'Ami hat das Mut gemacht.

Seit seiner Geburt hatte Lucas de Jong Sehschwierigkeiten und mit fünf 
verlor er sein Augenlicht vollständig. Aber er war entschlossen, ein 
normales Leben zu führen. Mit acht hat er Schach gelernt, doch angefangen 
ernsthaft zu spielen hat er erst mit 15. Mittlerweile ist er Kapitän der 
fünften Mannschaft von SNB Nijmegen und in Nijmegen lebt er auch. Ich sollte 
erwähnen, dass er in seiner Mannschaft der einzige Spieler mit körperlichen 
Einschränkungen ist.

Lucas beim Niekirch Open in Dieren. Unter dem Tisch zu seinen Füßen liegt 
Lucas' Hund Okie.

Mittlerweile ist Lucas 21 Jahre alt und in Dieren spielt er im B-Open. Nach 
sieben Runden liegt er mit drei Punkten knapp unter der 50-Prozentmarke und 
er will das Turnier mit 4 aus 9 beenden. Er spricht perfekt Englisch und 
studiert in Nijmegen BWL. Im regulären Studiengang.

Für mich ist Lucas ein Beispiel für physische und geistige Stärke. Er 
erklärt, dass er nicht das Gefühl hat, sich von Anderen zu unterscheiden. Er 
räumte ein, dass es sehr 'hilfreich' war, dass er sich an nichts vor seinem 
fünften Lebensjahr erinnern kann, als er noch ein bisschen sehen konnte... 
"Ich habe nicht das Gefühl, dass blind zu sein ein großes Problem ist, wobei 
man eigentlich nicht von 'Problem' reden kann, wenn man etwas beschreibt, 
was man nicht vermisst, da man es nicht kennt..."

Lucas hat sein eigenes Schachbrett und einen eigenen Blindenhund namens 
Okie, der ihm hilft, ein unabhängiges glückliches Leben zu führen und der 
ihm in schweren Schachgefechten zur Seite steht.

Während Lucas spielt, nutzt Blindenhund Okie die Gelegenheit zu einem 
Nickerchen.

Natürlich fällt es Lucas unter diesen Bedingungen schwerer, Schach zu 
spielen und zu studieren als den meisten von uns. Aber er kompensiert diese 
Nachteile und zeigt uns, dass das Gehirn ein mächtiges Werkzeug ist und wir 
es nutzen sollten! Lucas ist begeisterter Schachspieler und sieht Schach als 
interessante geistige Auseinandersetzung, bei der das Glück, wenn überhaupt, 
nur eine kleine Rolle spielt. Allerdings hat er manchmal das Gefühl, er sei 
kein großer Taktiker, denn immer mal wieder übersieht er taktische 
Möglichkeiten, wenn er Varianten rechnet....

Für Schachspieler, die sehen können, ist blind Schach zu spielen eine 
Trainingsmethode, die uns zwingt, uns das Brett vorzustellen, doch für Lucas 
ist Blindschach eine Notwendigkeit und er spielt es ausgezeichnet! "Es ist 
schwer zu erklären, wie ich das Brett sehe, vor allem, weil ich mich nicht 
erinnern kann, je ein Schachbrett gesehen zu haben! Die Grundregeln des 
Schachs zu lernen war überhaupt nicht schwer. Ich kann die Diagonalen 
visualisieren, die Linien, da gibt es überhaupt keine Probleme; ich kann mir 
das vorstellen. Schwierig wird es mit dem Überblick, das Gesamtbild ist 
schwer zu greifen, deshalb habe ich Schwierigkeiten mit komplizierteren 
Varianten, schwere taktische Situationen bereiten mir Probleme. Deshalb 
trainiere ich dieses Gebiet ganz besonders."

Lucas erläutert, dass 'Blindschach' zu spielen, ein Muss für jeden blinden 
Spieler ist.

Doch wie macht er das, wie trainiert er, fragt man sich vielleicht...Lucas 
hat spezielle Programme, die FENs in Brailleschrift verwandeln oder die 
Stellung laut ansagen und so kann er die jeweilige Position auf seinem 
Schachbrett aufbauen.

"Leider haben viele Schachseiten im Internet keine FEN-Strings und ich habe 
keinen Zugriff auf die Beispiele dort."

Ich glaube, Sie stimmen mir zu, wenn ich sage, wir sollten Lucas nicht nur 
respektieren, sondern wir können von ihm und seiner Geschichte auch lernen.

Alina L'Ami ist Schachprofi, WGM, und bringt allem, was sie macht, großen 
Enthusiasmus entgegen. Sie liebt es, in die entlegensten Winkel der Erde zu 
reisen, um dort Schach zu spielen und darüber hier bei ChessBase zu 
berichten.

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