Hallo Schachfreunde, der Deutsche Schachbund ist mächtig stolz auf das Abschneiden der Herren- Mannschaft bei der Europameisterschaft. Im Internet erscheint auf der homepage folgende Schlagzeile: "Der größte Erfolg seit vielen, vielen Jahren!". Weniger erfolgreich spielten die deutschen Damen, die den er- hofften Platz unter der ersten 10 klar verfehlten. Auch die Schachfreunde aus Österreich dürften nicht zufrieden sein. Die Damen erreichten in den beiden letzten Runden jeweils ein 1:1 gegen die Türkei und gegen Schweden; die Herren besiegten in der 8. Runde Schottland mit 3,5:0,5 und verloren in der Schlussrunde 1:3 gegen Mazedonien. Die Endstände stammen aus einer englischsprachigen Internetseite mit einer kleinen Anmerkung von Toni; den Verlauf der letzten beiden Runden schildert Großmeister Christopher Lutz in seinem "Tagebuch" - gefunden im Internet - www.gm-schach.de - Mit dieser Ausgabe endet wahrscheinlich für die Aussenstelle Leimen die Berichterstattung im alten Jahr. Frohe Festtage und einen guten Rutsch wünscht Herbert Lang EUROPAMEISTERSCHAFT Die nachstehenden Endstaende der EM verwenden leider die englischen Bezeichnungen der Laender. Aber ich denke, dass auch Schachfreunde, die der englischen Sprache nicht maechtig sind, ohne weiteres erkennen, um welches Land es sich handelt. Hinter der mysterioesen Bezeichnung BIH verbirgt sich uebrigens Bosnien/Herzegowina. Endstand Herren 1 Armenia 22.5 2 Hungary 22.0 3 Germany 21.0 4 Bulgaria 20.5 5 Russia 20.5 6 Ukraine 20.5 7 Israel 20.5 8 Slovenia 20.5 9 Belarus 20.0 10 England 19.5 11 Netherlands 19.5 12 Czech Rep. 19.5 13 BIH 19.5 14 Switzerland 19.5 15 Spain 19.5 16 Poland 19.0 17 Latvia 19.0 18 Sweden 18.5 19 Italy 18.5 20 Croatia 18.5 21 Georgia 2 18.5 22 Romania 18.5 23 Azerbaijan 18.0 24 Lithuania 18.0 25 FYROMacedonia 18.0 26 France 17.5 27 Yugoslavia 17.0 28 Slovakia 17.0 29 Georgia 16.5 30 Portugal 16.5 31 Austria 16.0 32 Finland 15.5 33 Belgium 15.5 34 Turkey 15.0 35 Scotland 6.5 36 Ireland 5.5 Endstand Damen 1 Slovakia 12.5 2 Yugoslavia 12.0 3 Romania 12.0 4 Ukraine 11.5 5 Armenia 11.0 6 Bulgaria 10.5 7 England 10.5 8 Russia 10.5 9 Spain 10.5 10 Georgia 10.0 11 Hungary 10.0 12 Georgia 3 10.0 13 Israel 10.0 14 Azerbaijan 10.0 15 Switzerland 9.5 16 Poland 9.0 17 Georgia 2 9.0 18 BIH 9.0 19 Germany 9.0 20 France 9.0 21 Czech Rep. 9.0 22 Croatia 9.0 23 Latvia 9.0 24 Lithuania 9.0 25 Greece 8.5 26 Scotland 8.0 27 Finland 7.5 28 Netherlands 7.5 29 Estonia 7.5 30 Sweden 7.5 31 Portugal 7.5 32 Slovenia 7.0 33 FYROMacedonia 7.0 34 Austria 6.5 35 Turkey 5.0 36 Italy 3.0 6.12.1999 - 8.Runde: Deutschland - Polen 3:1 Jussupow - Krasenkow 0,5:0,5 Dautov - Macieja 0,5:0,5 Lutz - Socko 1:0 Gabriel - Kempinski 1:0 Deutschland - Israel 1:1 Kachiani-Gersinska - Pitam 0,5:0,5 Koglin - Borsuk 0,5:0,5 Zur rechten Zeit platzt der Knoten. Das junge polnische Team hatte sich unter der Fuehrung des Exilrussen Michail Krasenkow bislang bravouroes geschlagen, heute gelingt uns aber ein hoher Sieg. Zunaechst kann Jussupow jedoch nicht viel mit den weissen Steinen erreichen und gibt schnell Remis. Dautov opfert einen Bauern fuer sehr gute Kompensation, am Schluss steht er jedoch nicht mehr besser. Also obliegt es den hinteren Brettern, die Punkte zu holen. Mir gelingt eine gute Partie, ich kann die gegnerische Franzoesische Verteidigung knacken. Als letzter ringt Christian Gabriel in einer Kampfpartie seinen Gegner nieder. Damit schieben wir uns mit 19 Punkten auf den alleinigen dritten Platz vor. Armenien hat 20,5 Punkte, Ungarn 19,5. Was wird die letzte Runde bringen ? Bei den deutschen Damen trudelt das Turnier langsam aus, zwei Unentschieden lautet die Bilanz gegen Israel. An der Spitze bahnt sich eine Ueberraschung an. Die hoch eingeschaetzten Jugoslawinnen verlieren 0,5:1,5 gegen Rumaenien, die Slowakinnen gewinnen 2:0 gegen Armenien. Damit fuehrt die Slowakei ploetzlich mit 12 Punkten und 1,5 Punkten Vorsprung ! 7.12.1999 - 9.Runde: Armenien - Deutschland 2:2 Lputian - Jussupow 0,5:0,5 Minasian - Dautov 0,5:0,5 Anastasian - Lutz 0,5:0,5 Aronian - Gabriel 0,5:0,5 Georgien III - Deutschland 1,5:0,5 Lomineishvili - Kachiani-Gersinska 0,5:0,5 Charkalashvili - Koglin 1:0 Die letzte Runde verlaeuft aeusserst spannend. Wie erwartet bekommen wir den Tabellenfuehrer Armenien zugelost. Damit haben wir sogar noch eine theoretische Chance auf den EM-Titel, sollten wir hoch gewinnen. Allerdings laeuft es zunaechst gegen uns. Dautovs Gegner Minasian kann muehelos ausgleichen und droht sogar schon, die Initiative zu uebernehmen, daher kommt das Remisangebot gerade rechtzeitig fuer uns. An Brett 4 wird Christaian Gabriel ebenfalls durch ein Remisangebot in die Enge getrieben. Gabriel glaubt, bereits schlechter zu stehen und willigt ein, aber die spaetere Analyse zeigt, dass eine taktische Variante ihm deutlichen Vorteil gegeben haette! Somit haben wir zweimal den "Aufschlag" vergeben, nun muessen die Nachziehenden das Beste versuchen. Jussupows Partie verlaeuft aeusserst chaotisch. Zunaechst steht er als Nachziehender besser, verdirbt in der Zeitnotphase jedoch seine Stellung voellig. Lputjan steht besser, verliert jedoch nach der Zeitnot eine Figur. Allerdings hat er dafuer einen gefaehrlichen Freibauern, so dass Jussupow sich genoetigt sieht, ein Dauerschach zu geben. Er haette aber den Freibauern stoppen und eine klar vorteilhafte (wenngleich nicht unbedingt gewonnene) Stellung mit Mehrfigur erreichen koennen! Also vergeben wir auch hier unsere Chancen. Dafuer haben wir jedoch in der letzten Partie das noetige Quaentchen Glueck auf unserer Seite. Mein Gegner opfert in der Eroeffnung einen Bauern fuer langfristige Kompensation. Er spielt dann aber ungenau, und ich kann die Initiative uebernehmen. In der Zeitnotphase unterlaeuft mir ein schrecklicher Fehler, und ich lande in einem technisch verlorenem Endspiel mit Turm, ungleichen Laeufern und Minusbauern. Ich verteidige mich jedoch zaeh, und nach mehr als sechs Stunden bietet Anastasian (immer noch in technischer Gewinnstellung) ein Unentschieden an, da dies seiner Mannschaft zum Sieg und ihm selbst zur Goldmedaille am dritten Brett reicht. Der Sieg von Armenien kam ueberraschend, da einerseits mit Vaganian und Akopian zwei wichtige Spieler fehlen, andererseits aber die ersten vier Bretter kein einziges Mal aussetzen. Stattdessen betaetigte sich der Reservespieler Arshak Petrosian mit der Mannschaftsfuehrung. Auf Platz zwei kommen die Ungarn ins Ziel, die mit der Dreierspitze Peter Leko (6 Punkte), Judit Polgar (6,5 Punkte und Goldmedaille am zweiten Brett !) und Zoltan Almasi (6 Punkte) vorne kraeftig aufraeumten. Das vierte Brett, das sich Chernin und Pinter teilten, erwies sich jedoch als Schwachpunkt, den hier holten die Ungarn gerade 3,5 Punkte. Da die anderen Spitzenbegegnungen guenstig fuer uns verlaufen, koennen wir durch das Unentschieden trotzdem den alleinigen dritten Platz behalten. Damit Bronze fuer Deutschland! Es ist der engagierten Fuehrung von Uwe Boensch zu verdanken, dass durch eine mannschaftlich geschlossene Leistung dieser Erfolg erzielt wurde. Rustem Dautow erzielte 5,5 aus 8, Christian Gabriel und ich jeweils 4,5 aus 7, Artur Jussupow 4 aus 8. Lediglich Robert Huebner konnte mit 2,5 aus 6 nicht seine tolles Ergebnis von der Deutschen Meisterschaft wiederholen. Was der deutschen Mannschaft vielleicht etwas fehlt, ist ein Spieler, der mit "+4" oder "+5" alle Gegner niederwalzt. Auch konnten wir mit den weissen Steinen wenig aus der Eroeffnung herausholen. Das deutsche Erfolgsrezept bestand vielmehr in der Vermeidung von Niederlagen. Wir hatten in den 36 Partien bestimmt zehn (im hoeheren Sinne) verlorene Stellungen, am Schluss waren es jedoch nur zwei Partien, die wir tatsaechlich aufgeben mussten. Im deutschen Damenschach sieht es dagegen noch nicht so erfreulich aus. Durch die Niederlage in der letzten Runde gegen Georgien III gelangte das Team von Raj Tischbierek mit 9 aus 18 nur auf den 19. Rang von 36 Mannschaften. Ketino Kachiani-Gersinska konnte gegen schwaechere Konkurrenz nur 50 Prozent erzielen (4 aus 8), ebenso wie Elisabeth Paehtz und Anke Koglin (jeweils 2,5 aus 5). Hier muss noch viel Arbeit geleistet werden, um in Zukunft erfolgreicher zu werden. Dass man im Frauenschach auch ganz ueberraschen vorne landen kann, beweist der Erfolg der Slowakinnen, die sich trotz einer Schlussrundenniederlage die Goldmedaille (12,5 Punkte) vor Jugoslawien und Rumaenien (jeweils 12 Punkte) sichern konnten. Dabei hatte das Aussenseiterteam mit den Spielerinnen Hagarova, Pokorna und Bekiarisova die erste Runde gegen Jugoslawien mit 0:2 glatt verloren ! Ueberraschenderweise spielte der Ausrichter Georgien bei der Preisverteilung keine Rolle, das beste der drei georgischen Teams landete nur auf dem zehnten Platz. Anscheinend spielten finanzielle Streitigkeiten bei diesem Misserfolg eine Rolle, denn Exweltmeisterin Maja Tschiburdanidse spielte beispielsweise gar nicht erst mit. Fuer die deutsche Manschaft stellte aber diese EM trotz aller organisatorischen Widrigkeiten ein grosser Erfolg dar. Bei der Siegerehrung konnten wir uns noch einmal an einem ausgedehnten georgischen Kulturprogramm erfeuen, ehe wir im kleinen Kreis bei Sekt und Wein das Turnier ausklingen liessen. Am Mittwoch brauchten dann nur noch heimzureisen (wieder mit einer ukrainischen Chartermaschine vom Typ Yak 42 nach Budapest), um dann am spaeten Abend endlich ins Bett fallen zu koennen. Damit haben wir erst einmal unsere Ruhe bis zum Wochenende, wenn die Bundesliga wieder ruft ... (Christopher Lutz)