Hallo Schachfreunde, seit dem vergangenen Freitag, dem 25.10.2002 läuft in Bled (Slowenien) die 35. Schacholympiade. Die Schacholympiade ist wohl die größte Veranstaltung der FIDE überhaupt. 1500 Spieler aus 140 Ländern spielen in 220 Mannschaften bei den Damen und Herren um Titel und Plätze. Wie auch schon in den vergangenen Jahren sind neben den Nationalmannschaften aus aller Herren Länder zwei Teams der IBCA "International Braille Chess Association) am Start. Die Teams der Weltorganisation der blinden und sehbehinderten Schachspieler konnten dabei in der Vergangenheit bereits einige Achtungserfolge erzielen. Die Herrenmannschaft der IBCA ist diesmal als Nr. 89 gesetzt und spielt in folgender Aufstellung: 1. Dukaczewski Piotr Polen 2. Bjerring Kai Dänemark 3. Enjuto Roberto Spanien 4. Gunajew Rafal Polen 5. Mlacnik Franc Slowenien 6. Bernard Ryszard Polen Hier scheint es einige Schwierigkeiten in letzter Minute gegeben zu haben, deren Ursache mir leider nicht bekannt ist. Die ursprüngliche Aufstellung, die so bei Turnierbeginn auch noch im Internet zu finden war, enthielt auch noch die beiden Spitzenspieler der IBCA, die Russen Sergej Krylov und Vladimir Berlinski anstatt der beiden Polen Gunajew und Bernard. Trotz dieser erheblichen Schwächung verliefen die ersten beiden Runden durchaus nach Plan. Zwar gab es in der Auftaktrunde eine 0,5:3,5 Niederlage gegen Aserbaidschan, doch war der Gegner hier mit 300 und mehr Elopunkten an allen Brettern übermächtig. Immerhin konnte Kai Bjerring einen halben Punkt für die IBCA verbuchen. In der 2. Runde gab es ein glattes 4:0 gegen Japan. Die Mannschaft spielte in beiden Runden mit der Stammformation. Am heutigen Montag ist Kolumbien der Gegner. Das Damenteam der IBCA kann dagegen in der wohl derzeit bestmöglichen Besetzung antreten. 1. Zsiltzova-Lisenko Lubov Ukraine 2. Maeckelbergh Mieke Belgien 3. Stolarczyk Anna Polen 4. Debowska Teresa Polen Auch hier kam die 0,5:2,5 Niederlage in Runde 1 gegen Polen nicht unerwartet. Besonders erfreulich ist hier jedoch, dass die erst 14jährige Polin Anna Stolarczyk für den halben Punkt sorgte. Die 0:3 Niederlage in Runde 2 gegen Wales darf dagegen als eine klare Enttäuschung bezeichnet werden. Auch auf Grund der Elozahlen waren die IBCA-Damen in diese Begegnung als Favorit gestartet. In Runde 1 spielte das Team in der Stammbesetzung, in Runde 2 pausierte die Belgierin Maeckelbergh. Am heutigen Montag ist in runde 3 die Mannschaft von Puerto Rico der Gegner. Wir werden versuchen, Euch über den weiteren Weg der beiden IBCA-Teams durch das Turnier auf dem laufenden zu halten. Wenn alles klappt, werde ich mich am Mittwoch wieder melden. Bevor ich mich nun verabschiede, noch der Hinweis, dass es am Ende dieser Mail einen Tagesbericht zur Runde 2 aus Sicht der deutschen Teams gibt. Für die Zeitschrift "Schach" berichtet Raj Tischbierek. Viel Spaß wünscht Toni aus Augsburg Zeitschrift Schach Schacholympiade - Raj Tischbierek berichtet aus Bled http://www.zeitschriftschach.de/2002/olympia.htm Die 35. Schacholympiade findet vom 26. Oktober bis zum 10. November in Bled statt. Für Deutschland spielen Christopher Lutz, Rustem Dautov, Alexander Graf, Jörg Hickl, Klaus Bischoff und Thomas Luther sowie Ketino Kachiani-Gersinska, Jordanka Micic, Elisabeth Pähtz und Jekaterina Borulja. Die Herren sind an Nummer acht gesetzt, die Damen nehmen Rang zehn der Setzliste ein. Als Elofavoriten gehen Russland bei den Herren und China bei den Damen an den Start. Offizielle Seite im Internet: www.35ChessOlympiad.com 2. Runde am 27. Oktober Zwei Siege, aber keine Zufriedenheit brachte den deutschen Mannschaften die 2. Runde. Zum ersten Mal seit vielen Jahren war bei den Männern eine "echte" deutsche Mannschaft am Start, also ohne jeden "russischen Export" - was ich trotz möglicherweise fehlender political correctness um Gottes Willen nicht wieder falsch zu verstehen bitte. Artur Jussupow ist diesmal nicht mit von der Partie und Alexander Graf und Rustem Dautov pausierten nach ihren gestrigen Remisen. Trotzdem galten wir gegen die an 41 gesetzten Norweger als klarer Favorit, zumal den Nordlichtern ihr einziger Star, der ehemalige (Schach- und) Fußballnationalspieler Simen Agdestein, fehlte. Unter diesen Voraussetzungen nimmt sich das 2,5-1,5 bescheiden aus, auch wenn wir vom Kampfverlauf her mit dem knappen Sieg zufrieden sein müssen. Nicht viel passierte am Spitzenbrett bei Gausel-Lutz, überzeugend der Sieg von Jörg Hickl (der auf sein geliebtes 1. g3 verzichtete und mit dem Königsbauern eröffnete) gegen den in der Bundesliga bei Wattenscheid spielenden Leif Erlend Johannessen. Aber an Brett 3 und 4 gerieten Klaus Bischoff und Thomas Luther (mit Weiß!) aus der Eröffnung heraus in Nachteil. Während Luther das Blatt in der Zeitnot seines Gegners noch wenden konnte, musste Bischoff gegen Lie die erste deutsche Niederlage quittieren. Nicht zum ersten Mal zeigte er gegen einen kompromisslos auf seinen König losgehenden Gegner Schwächen und wurde mit L:h7 und S:f6 hübsch exekutiert. Nichts also diesmal mit den bei zurückliegenden Olympiaden und Mannschafts-Europameisterschaften langen Ungeschlagensein-Serien zu Beginn. Natürlich ist es bei einem 14-rundigen Turnier noch viel zu früh, um eine klare Linie zu erahnen, aber ich fürchte, dass wir diesmal mit kleineren Brötchen als in der jüngeren Vergangenheit zufrieden geben werden müssen. Großer Auflauf am Brett von Garri Kasparow, der bei Russland-Weißrussland erstmals zum Einsatz kam. Unter so schlechten Bedingungen - keinerlei Absperrung an seinem Brett! - hat der Meister wohl schon viele Jahre (Jahrzehnte?) nicht mehr gespielt. Die Spieler aus aller Herren Länder - viele werden ihn zum ersten Mal live gesehen haben - rieben sich an seinem Brett und die Fotografen krochen ihm förmlich in die Nasenlöcher. Er verweigerte den pünktlichen Beginn und das Match begann mit 20 Minuten Verspätung, nachdem die Schiedsrichter die allerlästigsten Gaffer halbwegs im Griff hatten. Auch danach war Garri häufig noch kopfschüttelnd zu erleben, was seinem klaren Sieg gegen den immerhin gestandenen 2600er Alexandrow indessen keinen Abbruch tat. Das 3,5-0,5 gegen die Weißrussen ist ein gutes Ergebnis, das Russland zudem zu Ungarn aufschließen lässt. Die Magyaren gaben beim 3-1 gegen Vietnam zwei Remisen ab. Die an 3 gesetzten Ukrainer (Ponomarjow, Iwantschuk etc.) gewannen gar nur 2,5-1,5 gegen Usbekistan. Bei 40 Vierpunktern nach einer Runde gibt es sicher noch Mannschaften, die auch nach zwei Runden noch eine weiße Weste aufweisen, aber das ist zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht zu übersehen und später hoffentlich der gestern noch reichlich desorganisierten Olympiade-Website zu entnehmen. Die deutschen Damen waren bei durchschnittlich knapp 200 Elopunkten mehr als Australien noch deutlicher favorisiert als ihre männlichen Kollegen. Auch hier ist der 2-1-Sieg somit nicht der Weisheit letzter Schluss. Ketino Kachiani-Gersinska, "Madame Zuverlässig" fuhr den einzigen Sieg für unsere Farben ein, Jordanka Micic und Jekaterina Borulja remisierten.